BGB § 781; StVG § 17 Abs. 1 § 7; StVO § 10; VVG § 115 Abs. 1; ZPO § 286

Leitsatz

1. Eine an der Unfallstelle abgegebene spontane Äußerung eines Unfallbeteiligten hat weder die Rechtswirkungen eines konstitutiven noch eines deklaratorischen Anerkenntnisses, sondern kann allenfalls die Bedeutung eines gewichtigen Indizes für die Richtigkeit der abgegebenen Erklärung haben.

2. Eine daraus ableitbare Umkehr der Beweislast scheidet aus, wenn sich der Unfallgegner noch an Ort und Stelle weigert, seine mündliche Unfallschilderung schriftlich zu bestätigen.

(Leitsätze der Schriftleitung)

OLG Saarbrücken, Urt. v. 1.3.2011 – 4 U 370/10

Sachverhalt

Die Zeugin NB hatte das Fahrzeug des Kl. auf der rechten Straßenseite auf dem Seitenstreifen geparkt, der durch eine gepflasterte Wasserrinne von der Fahrbahn getrennt ist. Das Fahrzeug des Kl. ragte teilweise in die Fahrbahn hinein. Die Bekl. näherte sich kurz nach dem Parken des Fahrzeuges des Kl. der Unfallstelle, wobei es zu einem Kontakt beider Fahrzeuge kam, der zur Folge hatte, dass das Fahrzeug des Kl. im vorderen linken Bereich und das Fahrzeug der Bekl. zu 1) im vorderen rechten Bereich beschädigt wurden. Die Parteien haben unterschiedliche Darstellungen über die Ursache des Kontaktes beider Fahrzeuge gegeben; die Bekl. hat behauptet, dass die Zeugin NB an der Unfallstelle eingeräumt habe, den Unfall verursacht zu haben. Die Beweisaufnahme hierüber ergab, dass die Zeugin NB weder eine ihre Schuld eingestehende Erklärung abgegeben hatte, sondern lediglich das Unfallgeschehen geschildert und darüber hinaus sich geweigert hatte, ein von der Bekl. zu 1) vorbereitendes Anerkenntnis zu unterzeichnen. Das LG ging davon aus, dass von einer Umkehr der Beweislast zum Nachteil des Kl. auszugehen sei, da die Zeugin NB ein die Darstellung der Bekl. bestätigendes Schuldanerkenntnis abgegeben habe, der Kl. damit den nicht erbrachten Nachweis dafür habe führen müssen, dass die Zeugin nicht an dem Unfall schuld gewesen sei. Das BG folgte dieser Begründung nicht, sondern legte nach durchgeführter Beweisaufnahme über den Unfallhergang zu Grunde, dass von einer alleinigen Verantwortung der Zeugin NB an dem Eintritt des Unfalls im Rahmen der Haftungsabwägung nach § 17 StVG auszugehen sei.

2 Aus den Gründen:

„… 1. Die Bekl. haften dem Grunde nach unter dem rechtlichen Aspekt der straßenverkehrsrechtlichen Gefährdungshaftung (§ 7 Abs. 1 StVG; § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 4, S. 4 VVG), da unstreitig ist, dass der Schaden bei dem Betrieb des Beklagtenfahrzeugs entstanden ist. Die Voraussetzungen der höheren Gewalt (§ 7 Abs. 2 StVG) liegen ersichtlich nicht vor. Da sich auch das klägerische Fahrzeug selbst dann unter Verwirklichung des straßenverkehrsrechtlichen Gefährdungstatbestands im Betrieb befand, wenn es zum Zeitpunkt des Unfalls gestanden hätte (auch ein geparktes Fahrzeug befindet sich jedenfalls dann noch im Betrieb, solange der Fahrer noch nicht ausgestiegen ist; Hentschel/König/Dauer, StraßenverkehrsR, 40. Aufl., § 7 Rn 8), wurde der Schaden i.S.d. § 17 Abs. 1 StVG durch mehrere Kfz verursacht. Mithin hängt der Ausgang des Rechtsstreits von der richtigen Anwendung der zu § 17 Abs. 1 StVG entwickelten Rechtsgrundsätze ab:

2. Gem. § 17 Abs. 1 StVG hängt im Verhältnis der beteiligten Fahrzeughalter zueinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insb. davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Hierbei kommen auch Schuldgesichtspunkte zum Tragen (BGH NJW 2005, 1351 = NZV 2005, 249). Jedoch sind bei der Abwägung der beiderseitigen Verursacherbeiträge nur solche Umstände einzubeziehen, die erwiesenermaßen ursächlich für den Schaden geworden sind. Die für die Abwägung maßgebenden Umstände müssen nach Grund und Gewicht feststehen, d.h. unstreitig, zugestanden oder nach § 286 ZPO bewiesen sein. Nur vermutete Tatbeiträge oder die bloße Möglichkeit einer Schadensverursachung aufgrund geschaffener Gefährdungslage haben deswegen außer Betracht zu bleiben (BGH NJW 2007, 506 = NZV 2007, 190; NJW 2000, 3069 = NZV 2000, 466; Hentschel/König/Dauer, § 17 StVG Rn 5).

3. Unter Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nur der Zeugin NB ein unfallursächliches Verschulden vorzuwerfen. Demgegenüber tritt die zu Lasten der Bekl. allein zu gewichtende Betriebsgefahr vollständig zurück:

a) Gem. § 10 S. 1 und 2 StVO hat sich derjenige, der vom Fahrbahnrand anfahren will, so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Er hat seine Absichten unter Benutzung der Fahrtrichtungsanzeiger rechtzeitig und deutlich anzukündigen. Diese Sorgfaltsanforderungen hat die Zeugin NB missachtet: Nach der Überzeugung des Senats ist die Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs ohne Setzen des Blinkers nach links in die Fahrbahn ausgeschert und deshalb unter Missachtung des Vorrechts des fließenden Verkehrs mit dem Fahrzeug der Bekl. zusammenstoßen.

aa) Allerdings ist ein solcher Unfallverlauf entgegen de...

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