BGB § 249

Hatte der Gutachter zunächst die erforderlichen Reparaturkosten auf weniger als 130 % des Wiederbeschaffungswertes des unfallbeschädigten Fahrzeugs geschätzt und ergibt eine Zerlegung des Fahrzeuges das Vorliegen weiterer, nicht aufgeführter Beschädigungen, deren Reparatur zu Gesamtkosten von mehr als 130 % des Wiederbeschaffungswertes führen, muss der Geschädigte von der Durchführung der Reparatur Abstand nehmen und kann lediglich die Differenz zwischen Wiederbeschaffungswert und Restwert sowie die Kosten der Zerlegung des Fahrzeuges ersetzt verlangen.

(Leitsatz der Schriftleitung)

Hanseatisches OLG Bremen, Beschl. v. 21.10.2009/ 21.12.2009 – 3 U 44/09

Die Klägerin hat restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall, für den die Beklagten in voller Höhe eintrittspflichtig sind, verlangt. Der von der Klägerin beauftragte Gutachter ermittelte Reparaturkosten von 20.097,80 EUR, einen Wiederbeschaffungswert von brutto 17.100 EUR und den Restwert des Fahrzeuges von 8.300 EUR. Die Beklagte zu 2), die Haftpflichtversicherung des Schädigers, erteilte die Zustimmung zur Reparatur unter dem Vorbehalt, dass mit ihr Rücksprache zu nehmen sei, falls die Reparaturkosten den Wert von 20.097,80 EUR übersteigen sollten. Die Klägerin beauftragte daraufhin eine Fachwerkstatt mit der Durchführung der Reparatur. Für die Durchführung der Reparatur wurde das Fahrzeug teilweise zerlegt, wobei weitere von dem Sachverständigen nicht festgehaltene Beschädigungen entdeckt wurden. Der zugezogene Sachverständige schätzte nunmehr die erforderlichen Reparaturkosten auf ca. 24.300 EUR. Die Beklagte zu 2) verweigerte nunmehr die Zustimmung zur Durchführung der Reparatur. Die Klägerin ließ gleichwohl das Fahrzeug reparieren, wobei Reparaturkosten von 25.065 EUR anfielen. Die Beklagte zu 2) zahlte an die Werkstatt lediglich einen Betrag von 8.800 EUR und erstattete einen Nutzungsausfall und die Nebenkostenpauschale. Die Klägerin hat den Ersatz der Reparaturkosten in voller Höhe begehrt und gemeint, die Beklagte zu 2) habe das Risiko der etwaigen Unrichtigkeit des Gutachtens des Sachverständigen getroffen. Wenn ein Abbruch der Reparatur wirtschaftlich notwendig gewesen sei, müssten die Beklagten auch die Kosten der Zerlegung und des Wiederaufbaus des Fahrzeuges tragen. Die Beklagten haben sich für nicht verpflichtet gehalten, die angefallenen Reparaturkosten zu tragen, da diese höher als 130 % über dem Wiederbeschaffungswert lägen. Nach dem Gebot der Wirtschaftlichkeit hätte die Klägerin die Reparatur abbrechen müssen; die Kosten der Zerlegung seien von ihr nicht zu erstatten, da sie ohnehin durch die Reparatur angefallen seien. Auch die Kosten eines etwaigen Wiederaufbaus seien von ihr nicht zu erstatten, da man das Fahrzeug auch in zerlegtem Zustand hätte verkaufen können. Das LG bejahte einen Anspruch der Klägerin von weiteren 4.721 EUR und wies die Klage im Übrigen ab.

Aus den Gründen:

“Die Rügen der Klägerin im Berufungsverfahren greifen nicht durch.

Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Verhandlung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zu Grunde zu legen, wenn nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Solche Anhaltspunkte können vorliegen, wenn das Gericht des ersten Rechtszuges die Beweislast verkannt hat, beweiswürdige Darlegungen nachvollziehbarer Grundlage entbehren, gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen wurde, Verfahrensfehler bei der Tatsachenfeststellung unterlaufen sind oder Fehler bei der Bewertung des Ergebnisses der Beweisaufnahme vorliegen (vgl. BGH NJW 2004, 1876; Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 27. Aufl., § 529 Rn 2). Nach Maßgabe dieser Kriterien ist die Entscheidung des LG nicht zu beanstanden, denn der Klägerin steht gegen die Beklagten zu 1) und 2) ein weiter gehender Schadensersatzanspruch nicht zu.

Zutreffend und von der Klägerin nicht in Abrede gestellt ist der Ausgangspunkt des LG, dass der Schädiger bei der Beschädigung eines Kraftfahrzeugs dem Geschädigten nicht schlechterdings die für ihn günstigere Alternative bei der Feststellung der erforderlichen Reparaturkosten schuldet. Dem Geschädigten wird im Falle der Reparatur des Unfallfahrzeugs vielmehr ein ‘Integritätszuschlag’ von 30 % über die Ersatzbeschaffungskosten hinaus zugebilligt. Demnach kann der Geschädigte selbst dann noch den Geldbetrag für eine Reparatur des Fahrzeugs verlangen, wenn die voraussichtlichen Reparaturkosten nicht über 130 % des Ersatzbeschaffungswertes hinausgehen. Die 130 %-Grenze bestimmt sich dabei allein nach dem Wiederbeschaffungswert, ohne dass der Restwert abzuziehen ist (vgl. BGH NJW 1992, 302, 304). Des Weiteren trägt der Schädiger grundsätzlich das sog. ‘Prognoserisiko’, dass also die tatsächlichen Reparaturkosten auf Grund neu. entdeckter Mängel über der 130 %-Grenze liegen, wenn sich der Geschädigte auf die Prognose, die ein...

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