BGB § 123; VVG § 22

Leitsatz

Der Nachweis der Arglist scheidet aus, wenn der Versicherungsnehmer – auch unter Vorlage von Wikipedia-Artikeln – plausibel macht, dass er zwar ein Bronchialasthma verschwiegen, dies aber durch die Angabe einer seit Geburt bestehenden Neurodermitis umfasst betrachtet hat.

(Leitsatz der Schriftleitung)

OLG Frankfurt, Urt. v. 3.6.2009 – 3 U 286/07

Sachverhalt

Die Klägerin unterhielt bei der Beklagten seit 1.7.2003 eine Risikolebens- und eine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Im Versicherungsantrag beantwortete sie Fragen nach Krankheiten in den ersten 5 Jahren bezüglich solcher der Atmungsorgane und Stoffwechsel-Erkrankungen mit "nein", die Frage nach Erkrankungen der Haut (auch Allergien) mit "ja". Verneint wurde die Frage nach regelmäßiger Medikamenteneinnahme in den letzten 5 Jahren sowie die Frage nach Behandlungen in den letzten 5 Jahren. Zu Frage 1.10 gab die Klägerin erläuternd an, sie leide seit Geburt an Neurodermitis und gab als Behandler Herrn Dr. B an sowie die Medikamente "L" und "D".

Im Mai 2006 wurde bei der Klägerin eine Brustkrebs-Erkrankung festgestellt. Sie wurde operiert, absolvierte eine Chemotherapie und Bestrahlungen und war vom 1.6. bis 31.12.2006 bedingungsgemäß berufsunfähig.

Nachdem sie Antrag auf entsprechende Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung gestellt hatte, holte die Beklagte Auskünfte ein, aus denen sich ergab, dass die Klägerin ab 1998 von Dr. F wiederhol u.a. wegen Asthma bronchiale behandelt worden war, beides mit entsprechender Medikamentenverordnung. Daraufhin erklärte die Beklagte den Rücktritt und focht beide Verträge wegen arglistiger Täuschung an.

Aus den Gründen

Aus den Gründen: „… Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg und führt zur antragsgemäßen Verurteilung der Beklagten. Deren Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (§ 22 VVG, § 123 BGB) greift nicht durch. Denn sie setzt voraus, dass objektiv falsche Angaben in Täuschungsabsicht gemacht wurden, wobei die Beweislast für die Täuschungsabsicht der Versicherer trägt … Von dem Versicherungsnehmer wird dabei verlangt, dass er plausible Angaben dazu machen muss, warum und wie es zu den falschen Angaben gekommen ist. Dies vorausgesetzt, hat die erklärte Anfechtung der Beklagten im Ergebnis keinen Erfolg.

Es ist zutreffend, dass die Klägerin die bei ihr vorhandene Asthma-Erkrankung unter der Frage nach Erkrankungen der Atmungsorgane (1.1) nicht angegeben hat. Ihre Auffassung, diese Asthma-Erkrankung sei eine Folge ihrer Neurodermitis-Erkrankung wird indessen durch den von der Beklagten vorgelegten Wikipedia-Auszug zur Neurodermitis gestützt. Dort heißt es auf S. 2 unter der Überschrift “Symptome und Beschwerden’: “Neben den Hauterscheinungen sind Heuschnupfen oder Asthma bei Patienten mit atopischen Ekzemen in einigen Fällen ebenfalls vorhanden.’

Auf S. 3 heißt es unter der Überschrift “Allergien’: “Ein Großteil der Patienten mit Neurodermitis leiden zusätzlich unter Allergien. … Neurodermitis für sich betrachtet wird von der wissenschaftlichen Medizin zwar von den Allergien abgegrenzt, weist aber z.T. ähnliche Symptome wie gängige Allergien auf. Die Haut eines Neurodermitikers ist sehr empfindlich gegenüber äußeren Einflüssen. … ’

Auf Seite 4 heißt es unter der Überschrift “Ursache’: “Bei einem Teil der Betroffenen konnte auch ein Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Neurodermitis und einer Nahrungsmittel- oder Tierhaarallergie beobachtet werden. Deutliche Hinweise bestehen auch auf eine Miteinbeziehung des vegetativen Nervensystems (welches die nicht bewusst steuerbaren Funktionen wie Verdauung, Herzschlag usw. reguliert). Dieser Aspekt erklärt u.a., warum Betroffene bei Stress zu Ausschlagsschüben oder Verdauungsproblemen neigen.’

Die Erklärung der Klägerin, sie habe eine Verbindung zwischen ihrer Neurodermitis und ihrem allergischen Asthma gesehen, ist daher plausibel, selbst wenn dabei kein medizinisch zwingender Zusammenhang bestehen mag. Überdies ist hervorzuheben, dass in Ziffer 1.10 des Antragsformulars nach Erkrankungen der Haut (auch Allergien) gefragt ist. Dann hat die Klägerin aber die Gesundheitsfragen nicht falsch beantwortet, sondern das bei ihr vorhandene allergische Asthma der falschen Rubrik zugeordnet. Diese Falschzuordnung musste sich ihr auch durch die Formulierung des Risikoausschlusses nicht als solche aufdrängen. Wenn die Klägerin aber dieser Auffassung war und den von der Beklagten geforderten Risikoausschluss für “Neurodermitis einschließlich eintretender Folgen’ akzeptierte, spricht dies dafür, dass ihr jedenfalls spätestens zu diesem Zeitpunkt die Absicht fehlte, Einfluss auf die Entscheidung der Beklagten durch Verschweigen ihrer Asthma-Erkrankung zu nehmen, die nämlich dann nach ihrer Vorstellung vom Risikoausschluss umfasst war. Entgegen der Auffassung des LG kann somit nicht von einer Schutzbehauptung der Klägerin ausgegangen werden …

Die Antragsfrage Nr. 3 nach regelmäßiger Medikamenteneinnahme in den letzten 5 Jahren hat die Klägerin ebenfalls mit “nein’ beantwortet, obwohl ihr im Z...

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