Einführung

Nach der bis zum 31.12.2007 gültigen Rechtslage wurde der im Falle einer vorzeitigen Kündigung eines Lebens- bzw. Rentenversicherungsvertrags fällige Rückkaufswert als Zeitwert der Versicherung berechnet (§ 176 Abs. 3 VVG a.F.). Entsprechendes galt für die Berechnung der Versicherungssumme im Falle der Beitragsfreistellung (vgl. § 174 Abs. 2 VVG a.F.). Infolge der von der Mehrheit der Versicherer praktizierten Zillmerung, d.h. der Verrechnung der Abschlusskosten mit den in den ersten Jahren gezahlten Beiträgen, war in den Anfangsjahren regelmäßig kein oder nur ein geringer Rückkaufswert vorhanden, so dass der Versicherungsnehmer im Falle frühzeitiger Kündigung bzw. Beitragsfreistellung einen nicht unerheblichen Verlust hinzunehmen hatte. Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber im Rahmen des neuen VVG bestimmt, dass der Rückkaufswert bzw. die beitragsfreie Versicherungssumme anhand des Deckungskapitals der Versicherung zu berechnen ist und mindestens den Betrag erreichen muss, der sich bei gleichmäßiger Verteilung der angesetzten Abschluss- und Vertriebskosten auf die ersten fünf Vertragsjahre ergibt (§§ 169 Abs. 3, 165 Abs. 2 VVG). Zur Begründung hat der Gesetzgeber darauf verwiesen, dass die bisherige Praxis der Versicherer, die ersten Prämien zur Deckung der Abschlusskosten zu verwenden, nicht hinreichend die Interessen der Versicherungsnehmer berücksichtigt, weshalb dem frühzeitig kündigenden Versicherungsnehmer ein Mindestwert in Form der Teilhabe am Deckungskapital zustehen muss.

Für fondsgebundene Versicherungen bleibt es demgegenüber bei dem Begriff des Zeitwerts (§ 169 Abs. 4 VVG), da bei diesen kein Deckungskapital als Berechnungsgröße zur Verfügung steht. Durch den Verweis in § 169 Abs. 4 VVG auf Abs. 3 soll allerdings sichergestellt werden, dass die Verteilung der Abschluss- und Vertriebskosten zur Sicherung eines Mindestwerts auch für fondsgebundene Versicherungen gilt.

Entsprechend der Übergangsregelung des Artikel 1 Abs. 1 EGVVG, wonach für Versicherungsverträge, die vor dem 01.01.2008 abgeschlossen wurden, bis zum 31.12.2008 grundsätzlich das alte Recht und seit dem 01.01.2009 das neue VVG gilt, müssten die vorstehenden Regelungen zum Rückkaufswert seit dem 01.01.2009 auch für Altverträge zur Anwendung kommen. Im ursprünglichen Gesetzesentwurf war sogar noch vorgesehen, dass der Altbestand bereits ab dem 01.01.2008 von den Regelungen zum Mindestrückkaufswert profitiert. Nach der endgültigen Fassung des VVG kommen die §§ 169 Abs. 3, 165 Abs. 2, nach denen im Falle der Kündigung und der Beitragsfreistellung Mindestbeträge zur Verfügung stehen müssen, für Altverträge indes überhaupt nicht zum Tragen (Artikel 4 Abs. 2 EGVVG).

Demnach bleibt für bis zum 31.12.2007 abgeschlossene Verträge die alte Rechtslage maßgebend. Die Diskussion zur Bemessung des Rückkaufswerts im Altbestand wird daher Rechtsprechung und Literatur noch eine Weile beschäftigen, wobei der Endpunkt erst mit Eintritt der Verjährung auch der letzten Ansprüche aus sog. Frühstornofällen erreicht sein dürfte. Dabei kommt es entscheidend darauf an, welche AVB dem Versicherungsvertrag zugrunde liegen. Insoweit sind drei Zeiträume zu unterscheiden:

1. Bis 1994 verwendete AVB

Bis 1994 mussten die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) von der zuständigen Aufsichtsbehörde.[1] genehmigt werden. Daher sollten die diesen Verträgen zugrunde liegende AVB nach vormals einhelliger Meinung nicht der Inhaltskontrolle nach dem AGB-Recht unterliegen mit der Folge, dass die Bedingungen zum Rückkaufswert einer richterlichen Kontrolle entzogen waren[2] Mit Beschl. v. 15. Februar 2006[3] hat das BVerfG allerdings festgestellt, dass es verfassungsrechtlich geboten sei, den Versicherungsnehmer auch im Falle regulierter AVB in angemessener Weise an den durch die Prämienzahlung geschaffenen Werten zu beteiligen. Dem widerspreche es, die Abschlusskosten in überproportionaler Weise den Versicherungsnehmer aufzuerlegen, die ihren Vertrag vorzeitig beenden. Der gebotene Interessenausgleich dürfe daher nicht dadurch vereitelt werden, dass hohe Abschlusskosten in den ersten Jahren mit der Prämie so verrechnet werden, dass der Rückkaufswert in dieser Zeit unverhältnismäßig gering ist oder gegen Null tendiert. Soweit – wovon auszugehen sein dürfte – die Zivilrechtsprechung diesem Beschluss folgt, können regulierte AVB unter verfassungsrechtlichem Blickwinkel im Hinblick auf ihre Angemessenheit überprüft werden.

[1] Dem Bundesamt für Versicherungen (BAV), Vorläufer der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Man spricht daher auch von regulierten AVB..
[2] Vgl. OLG Köln VersR 2002, 600; Grote VersR 2006, 957.
[3] VersR 2006, 489.

2. Im Zeitraum 1994 bis 2001 verwendete AVB

Nach der Deregulierung des Versicherungsmarkts im Jahr 1994 fielen AVB unstreitig unter das AGB-Recht. Die Versicherer orientieren sich seither an den Musterbedingungen des Gesamtverbands der deutschen Versicherungswirtschaft (GdV), die sich in Punkto Rückkaufswert und beitragsfreie Versicherungssumme zunächst im Wesentlichen auf die Wiedergabe der §§ ...

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