Die nachfolgenden Urteile wären für sich gesehen eigentlich kaum der Erwähnung wert, weil sie hinsichtlich der Annahme von Härtefallumständen der überwiegend üblichen Rechtsprechung entsprechen. Vor dem Hintergrund einer davon auch abweichenden Urteilspraxis werden einige beispielhafte Entscheidungen vorgestellt:

Fall 5:[15] Ingenieur ohne Voreintragungen mit einem Geschwindigkeitsverstoß von 33 km/h innerorts, wohnt zwar nur 6 km vom Arbeitsplatz entfernt, muss aber gelegentliche, nicht planbare Einsätze zu Kunden fahren. Er hat zudem eine 250 km entfernt lebende Lebensgefährtin in einer schwierigen Lebenssituation, die er auch außerhalb des Wochenendes besucht, um ihr zur Seite zu stehen. Es stehen keine vier Wochen Urlaub und kein Ersatzfahrer zur Verfügung. Urteil: Verdoppelung Bußgeld auf 320 EUR und Absehen von Fahrverbot, weil Härtefallumstände vorliegen.

Fall 6:[16] Technischer Leiter mit Geschwindigkeitsverstoß von 48 km/h außerorts und zwei FAER-Eintragungen (Handy, Geschwindigkeit), wechselnde Einsatzorte, die sich kurzfristig ergeben, berufliche Fahrleistung von ca. 1000 km/Woche, dabei auch Fahrten mit großen Lkw, keine vier Wochen Urlaub, kein Ersatzfahrer. Urteil: Härtefall, Verdoppelung Bußgeld auf 320 EUR ohne Fahrverbot

Fall 7:[17] Hausarzt mit Verstoß von 34 km/h innerorts mit Lkw (Transporter), keine Voreintragungen, viele oft nicht planbare Hausbesuche im ländlichen Raum, der nie vier Wochen Urlaub nehmen konnte und sich nicht fahren lassen kann, ist Härtefall. Urteil: 320 EUR ohne Fahrverbot.

Fall 8:[18] 49 km/h Verstoß außerorts ohne Voreintragungen, Autohändler ohne Angestellte, der auch Probefahrten durchführt, der nie vier Wochen Urlaub nimmt und sich nicht fahren lassen kann, ist Härtefall. Urteil: 320 EUR ohne Fahrverbot

Fall 9:[19] 41 km/h Verstoß außerorts, Bußgeldbescheid wegen einer Voreintragung (35 km/h außerorts) auf 170 EUR (10 EUR über Regelbuße) und einen Monat Fahrverbot wegen Beharrlichkeit festgesetzt. Urteil: Härtefall, weil Schichtarbeit und kein ÖPNV-Anschluss bei Spätschicht. Wegen der Voreintragung ist die im Bußgeldbescheid festgesetzte Geldbuße nicht nur verdoppelt, sondern auf 350 EUR aufgerundet worden. Den Vortrag der Verteidigung, dass mit einem km/h zusätzlicher Toleranz die Rechtsfolge bei 120 EUR mit einem Punkt ohne Fahrverbot gelegen hätte, wollte das Gericht nicht zum Anlass nehmen, die Geldbuße unterhalb einer Verdoppelung zu erhöhen.

Fall 10:[20] 47 km/h Verstoß außerorts, keine Voreintragungen, allein praktizierender Zahnarzt mit Praxis in kleiner Gemeinde, ca. 25 km von Wohnort entfernt, wegen gewerblicher Nebentätigkeit viel in Deutschland mit Auto unterwegs. Urteil: Geldbuße 350 EUR und Absehen vom Fahrverbot (mehr als Verdoppelung der Regelbuße, weil überdurchschnittliche Einkommensverhältnisse unterstellt werden).[21]

Fall 11:[22] Tatbestand ähnlich wie der Fall 39, der aber erheblich härter abgeurteilt wurde: 45 km/h Verstoß außerorts (BAB), zweieinhalb Jahre zuvor schon ein Fahrverbot (58 km/h außerorts), Krankenpfleger im Schichtdienst mit einfacher Fahrtstrecke vom Wohnort auf dem Land (der nur einmal am Tag mit dem ÖPNV angefahren wird), einfache Fahrstrecke zum Arbeitsort 30 km. Urteil: Verdoppelung der Regelbuße von 160 EUR auf 320 EUR, weil seit erstem Fahrverbot bis zu der hier entschiedenen Tat keine Eintragungen erfolgten und die Verdoppelung der Geldbuße genügt, um den Betroffenen zur Einhaltung der Vorschriften anzuhalten.

Fall 12:[23] 61 km/h Verstoß außerorts, ortsunkundig und ohne Voreintragung, Bußgeldbescheid setzt 440 EUR fest (2 Punkte), nebst zwei Monaten Fahrverbot mit viermonatiger Abgabefrist. Betroffener seit zwei Jahren in einem Designunternehmen mit Außendienstanteilen beschäftigt, legt Arbeitgeberbescheinigung über eine drohende Kündigung und dass dem Betroffenen auch nicht ein Monat ununterbrochener Urlaub in den nächsten vier Monaten gewährt werden könne vor. Urteil: 880 EUR, kein Fahrverbot.[24]

Fall 13:[25] 27 km/h Verstoß außerorts, das 2. Mal innerhalb von 12 Monaten, Härtefallumstände vorgetragen, weil der Arbeitsplatz nur mit einer ¾ Stunde dauernden einfachen Fahrt und wegen ländlicher Lage nicht über ÖPNV erreichbar ist, zudem werden Grundschulkinder zur Schule gefahren. Urteil: Umwandlung des Fahrverbotes gegen Erhöhung der Regelbuße von 80 EUR auf 200 EUR. Die Erhöhung auf um das Zweieinhalbfache statt der überwiegend üblichen Verdoppelung des Bußgeldes bei Fahrverbotsumwandlungen wurde vom Gericht damit begründet, dass auch die Verkehrsbehörde die Umwandlung zu diesem Erhöhungsfaktor anbiete und mit einem niedrigeren Erhöhungsfaktor kein Anreiz für ein gerichtliches Verfahren gegeben werden soll.

Fall 14:[26] 58 km/h Verstoß außerhalb von Manager mit zum Teil ungewöhnlich langen Arbeitszeiten, bei Antritt des Fahrverbotes droht Arbeitsplatzverlust, ÖPNV wegen nicht planbarer Arbeitszeiten nicht praktikabel, ist deshalb Härtefall. Urteil: 500 EUR (Verdoppelung des um 10 EUR auf 250 EUR erhöhten Bußgeldes gem. Bußg...

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