"… Die Bekl. ist zur Zahlung von Pflegetagegeld entsprechend der Entscheidung des LG während der Pflegebedürftigkeit des Ehemanns der Kl. für die Zeit vom 1.8.2014 bis 26.2.2017 verpflichtet."

1. Der Anspruch der Kl. ergibt sich aus dem Versicherungsvertrag, der im Versicherungsschein der Bekl. v. 1.1.2012 mit Nachtrag vom 1.1.2015 dokumentiert ist.

a) Die Voraussetzungen für eine Leistungspflicht der Bekl. liegen auf der Grundlage des unstreitigen Sachverhalts vor. Die Bekl. ist leistungspflichtig für die Zeit der Pflegebedürftigkeit des Ehemanns der Kl. ab dem 1.8.2014 auf der Grundlage der Pflegestufe 0. Nach den vertraglichen Vereinbarungen bedarf die Pflegebedürftigkeit des VN keines Beweises. Gem. § 1 Abs. 2 der vereinbarten AVB ist nicht die Pflegebedürftigkeit als solche Voraussetzung für den Versicherungsfall, sondern die Zuordnung einer bestimmten Pflegestufe durch die soziale Pflegeversicherung. Diese Zuordnung ist mit dem Bescheid der AOK Baden-Württemberg v. 3.9.2014 erfolgt. Die Frage, ob die Bekl. die Pflegebedürftigkeit (…) mit Nichtwissen bestreiten kann, ist daher ohne Bedeutung.

b) Nach den vertraglichen Vereinbarungen war für das Pflegetagegeld zunächst ein Tagessatz von 50 EUR vereinbart, und für die Zeit ab dem 1.1.2015 ein Tagessatz von 55 EUR. Bei der Pflegestufe 0 schuldete die Bekl. dem Ehemann der Kl. 30 % des Tagessatzes, also kalendertäglich 15 EUR bis Ende des Jahres 2014 und 16,50 EUR ab dem 1.1.2015. Daraus errechnet sich für den klagegegenständlichen Zeitraum (1.8.2014 bis 26.9.2017) ein Gesamtbetrag von jedenfalls 14.769,00 EUR. Dass sich die Kl. bei der Berechnung dieses Betrages geringfügig zugunsten der Bekl. verrechnet hat, ist nicht entscheidungserheblich. (…)

2. Die Bekl. war weder zum Rücktritt vom Vertrag noch zur Kündigung berechtigt. Die Voraussetzungen einer Anzeigepflichtverletzung (§ 19 VVG) liegen nicht vor.

a) Eine Anzeigepflichtverletzung liegt auch dann nicht vor, wenn man zugunsten der Bekl. unterstellt, dass der Ehemann der Kl. seit 2010 unter einer chronischen obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) litt. Daher wird diese zwischen den Parteien streitige Tatsache in den folgenden Ausführungen des Senats zugunsten der Bekl. unterstellt; eine Beweisaufnahme ist nicht erforderlich.

Eine Anzeigepflicht des VN kommt bei Antragstellung gem. § 19 Abs. 1 VVG im Übrigen nur für solche Umstände in Betracht, die dem VN bekannt sind, wobei auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen ist. Das bedeutet, dass die von der Bekl. behauptete Mitteilung einer bestimmten Krankheitsdiagnose durch den behandelnden Arzt nicht in jedem Fall einen zwingenden Schluss zulassen würde, dass der maßgebliche Umstand dem VN bei Antragstellung bekannt war, wenn die Mitteilung durch den Arzt längere Zeit zurücklag (vgl. zu dieser Problematik Senat, NJW-RR 2015, 806). Auch auf diese Frage kommt es für die Entscheidung des Senats nicht an, so dass im Folgenden zugunsten der Bekl. nicht nur die Diagnose COPD, sondern auch die Kenntnis des Ehemannes der Kl. bei Antragstellung im Jahr 2012 unterstellt wird.

b) Der verstorbene Ehemann der Kl. hat keine Anzeigepflicht im Sinne von § 19 Abs. 1 VVG verletzt. Maßgeblich für die Frage, ob eine Anzeigepflicht verletzt wurde, sind die im Antragsformular vom VR vorgesehenen Fragen (…). Eine Anzeigepflichtverletzung scheidet aus, weil der verstorbene Ehemann der Kl. sämtliche Fragen im Antragsformular richtig und vollständig beantwortet hat, und zwar auch dann, wenn er unter einer chronischen obstruktiven Lungenerkrankung litt und dies wusste.

Maßgeblich ist die Beantwortung der Frage Ziff. 3 im Antragsformular, bei der nach verschiedenen chronischen Erkrankungen gefragt wurde. Im Formular war nur das Ankreuzen eines Kästchens “Ja' oder das Ankreuzen eines Kästchens “Nein' vorgesehen. Der VN hat das Kästchen “Ja' angekreuzt. Für eine Konkretisierung, um welche chronische Erkrankung es sich handeln sollte, bot das Formular der Bekl. keinen Anlass, und im Übrigen auch keinen freien Raum. Die Antwort des verstorbenen Ehemannes der Kl. war mithin vollständig und richtig (vgl. im Übrigen zur Auslegung von unklaren Gesundheitsfragen – zugunsten des VN – Prölss/Armbrüster, VVG, § 19 VVG Rn 41).

Aus dem vom verstorbenen Ehemann der Kl. ausgefüllten Formular “Zusatzerklärung Gelenkbeschwerden' ergibt sich nichts Anderes. Das Formular, welches der VN vollständig und zutreffend ausgefüllt hat, bezog sich ausschließlich auf Gelenkbeschwerden. Es gibt keine Frage nach anderen Erkrankungen in diesem Formular. Es gibt auch keine Eintragung des verstorbenen Ehemannes der Kl., durch die er zum Ausdruck gebracht hätte, dass es außer den Gelenkbeschwerden keine andere chronische Erkrankung gab.

c) Nach der einleitenden Formulierung im Abschnitt “Gesundheitsangaben' des Antragsformulars war von der Bekl. – bei einer Bejahung der Gesundheitsfrage Ziff. 3 – die Beantwortung eines zusätzlichen Formulars (Antrag “Krankenversicherung und Pflegepflichtversicherung') vorgesehen. Inhalt u...

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