AVB Vermögensschadenshaftpflichtversicherung von Rechtsanwälten und Patentanwälten § 1

Leitsatz

Ob eine versicherte berufliche Tätigkeit eines Rechtsanwalts vorliegt, kann nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der versicherungsvertraglichen Vereinbarungen und der konkret übernommenen Aufgabe beurteilt werden.

(Leitsatz der Schriftleitung)

BGH, Beschl. v. 18.3.2020 – IV ZR 43/19

Sachverhalt

Die Kl macht aus abgetretenem Recht des VN, eines von ihr beauftragten Rechtsanwalts, Schadensersatzansprüche gegen dessen Vermögensschadenshaftpflichtversicherung geltend. Gegenstand des Vertrages war die Zusage von Deckung, falls der VN wegen eines bei der Ausübung beruflicher Tätigkeiten begangenen Verstoßes von einem anderen aufgrund von gesetzlichen Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts für einen Vermögensschaden verantwortlich gemacht wird.

Die Risikobeschreibung des Vertrages bezeichnet als berufliche Tätigkeit jene eines freiberuflich tätigen Rechtsanwalts sowie verschiedene mitversicherte, abschließend aufgeführte Tätigkeiten. Der VN war 2009 als Treuhänder für deutsche Kunden einer in der Schweiz ansässigen Aktiengesellschaft tätig geworden, die sich mit dem Ankauf von Lebensversicherungsverträgen gegen das Versprechen eines Mehrfachen des üblichen Kaufpreises befasste. Sie schloss mit dem VN einen Geschäftsbesorgungsvertrag, nach dem der VN für die Kunden, darunter den Kl, Vermögensanlagen, darunter Lebensversicherungsverträge erwerben, auflösen und abwickeln sollte.

Nach Insolvenz der AG erhielt die Kl. keinerlei Zahlungen aus den von ihr an den VN übertragenen lebensversicherungsvertraglichen Ansprüchen.

Die Bekl vertritt die Auffassung, der VN sei nicht anwaltlich tätig geworden.

Das BG hat die Tätigkeit des VN nicht als versichert angesehen und die Revision zugelassen. Der BGH hat die Voraussetzungen der Zulassung der Revision nicht für gegeben erachtet.

2 Aus den Gründen:

"… 3. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg, weil das BG die Fallumstände ohne Rechtsfehler dahingehend bewertet hat, dass die Treuhändertätigkeit des VN keine nach I. RB-RA versicherte Tätigkeit darstellte."

a) Ob die vom VN aufgrund des Geschäftsbesorgungsvertrages übernommene Tätigkeit vom Versicherungsschutz erfasst wird, ist in erster Linie durch Auslegung der vereinbarten Versicherungsbedingungen zu ermitteln.

aa) Diese sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher VN sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines VN in dem betreffenden Versicherungszweig – hier eines Rechtsanwalts – ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse an (Senat, BGHZ 123, 83, 85 und ständig). Die AVB sind aus sich heraus zu interpretieren. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den VN erkennbar sind (Senat, VersR 2012, 1149).

bb) Ein Rechtsanwalt oder Notar als VN einer Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Rechtsanwälte (und Notare) erkennt zunächst, dass einerseits der Begriff der versicherten beruflichen Tätigkeit in § 1 AVB-A weit gefasst ist. Allerdings kann andererseits der Revision nicht darin gefolgt werden, dass damit auch jede anwaltliche Tätigkeit erfasst sei, selbst wenn sie nur untergeordnet neben einer wirtschaftlichen Tätigkeit ausgeübt werde. Dem steht entgegen, dass – für einen Rechtsanwalt oder Notar als VN erkennbar – das zunächst weit gefasste Leistungsversprechen des § 1 AVB-A durch die Regelungen in I. Nummern 1 bis 6 der RB-RA eine Ergänzung erfährt, die den weiten Begriff der beruflichen Tätigkeit ausfüllt und damit zugleich das Leistungsversprechen konkretisiert und eingrenzt. Der durchschnittliche VN einer Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Rechtsanwälte und Notare kann daher erst der Aufzählung in I. Nummern 1 bis 6 RB-RA entnehmen, welche seiner beruflichen Tätigkeiten dem versprochenen Versicherungsschutz konkret unterfallen (vgl. Senat, VersR 2016, 388 Rn 20).

Dabei handelt es sich bei dem in I. RB-RA verwendeten Begriff der “freiberuflich ausgeübten Tätigkeit als Rechtsanwalt' für den VN erkennbar nicht um eine weite Definition anwaltlicher Tätigkeit, weil unter den nachfolgenden Nummern 1 bis 6 als mitversichert eine Reihe von Tätigkeiten katalogartig aufgezählt wird, die häufig mit anwaltlicher Tätigkeit einhergehen und deshalb bei einem weiten Verständnis des Begriffes “Tätigkeit als Rechtsanwalt' keiner gesonderten Erwähnung bedürften (…). Dieser Systematik kann der durchschnittliche VN indes entnehmen, dass die gem. I. RB-RA versicherte freiberufliche “Tätigkeit als Rechtsanwalt' allein die von unabhängiger Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten geprägte “klassische' Tätigkeit des Rechtsanwalts meint, wie sie auch in § 3 BRAO beschrieben ist (…). Darin bestärkt den VN auch die Formulierung der “Tätigkeit als Rechtsanwalt' (anstelle von “Tätigk...

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