BRAO § 50 Abs. 3 und 4; BORA § 4 Abs. 3

Leitsatz

1. Der Rechtsanwalt kann seinem Auftraggeber die Herausgabe eines für ihn erwirkten Vollstreckungstitels verweigern, bis er wegen seiner Vergütung befriedigt ist.

2. Ein Anspruch des Auftraggebers gegen den mit der Prozessführung beauftragten Rechtsanwalt wegen Pflichtwidrigkeiten im Rahmen der Zwangsvollstreckung kommt nur in Betracht, wenn dem Rechtsanwalt auch ein Vollstreckungsmandat übertragen wurde.

(Leitsätze der Schriftleitung)

Thür. OLG, Beschl. v. 13.12.2018 – 4 W 392/18

Sachverhalt

Der Antragsteller hatte beim LG Gera die Gewährung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage gegen die Antragsgegner aus Anwaltshaftung beantragt. Die Antragsgegner hatten für den Antragsteller in zwei arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten gegen dessen vormalige Arbeitgeberin, eine Zahnärztin, zwei Vollstreckungstitel erstritten. Der Antragsteller leitete die Haftung der Antragsgegner daraus her, dass sie nicht aus diesen Titeln vollstreckt hätten. In der Folgezeit hatte der Antragsteller seine Forderung aus den Titeln gegen seine vormalige Arbeitgeberin in deren Zwangsversteigerungsverfahren persönlich und ohne anwaltliche Hilfe angemeldet. Die frühere Arbeitgeberin hatte ihre Zahnarztpraxis wegen eines Wasserschadens zu einem Zeitpunkt einstellen müssen, als die Arbeitsgerichtsprozesse des Antragstellers noch gar nicht abgeschlossen waren. Seitdem bezog die Arbeitgeberin eine Grundsicherung, die unterhalb der Pfändbarkeitsgrenze lag.

Außerdem leitete der Antragsteller seine Ansprüche gegen die Antragsgegner daraus her, sie hätten ihm die erwirkten arbeitsgerichtlichen Vollstreckungstitel nicht herausgegeben. Das LG Gera hat den Prozesskostenhilfe-Antrag des Antragstellers zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Antragstellers hatte ebenfalls keinen Erfolg.

2 Aus den Gründen:

"… [9] Die Beschwerde ist unbegründet. Denn das LG hat Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg zu Recht versagt (§ 114 ZPO)."

[10] Der Antragsteller hat gegen die Antragsgegner keinen Schadensersatzanspruch aus Anwaltshaftung (§ 280 Abs. 1 BGB). Es fehlt bereits an einer schlüssigen Darlegung eines solchen Anspruchs.

[11] Denn die Antragsgegner haben zu keiner Zeit ein Vollstreckungsmandat übernommen. Sie haben ein solches nach dem eigenen Vortrag des Antragstellers abgelehnt. Der Antragsteller hatte auch nicht die Absicht, ihnen ein Vollstreckungsmandat zu erteilen. Denn auch in der Folgezeit hat er keinem Anwalt ein Vollstreckungsmandat erteilt, sondern die Vollstreckung selbst betrieben. Er hat seine Forderung gegen seine vormalige Arbeitgeberin in deren Zwangsversteigerungsverfahren mit Schreiben vom 15.6.2017 persönlich und ohne anwaltliche Hilfe angemeldet. Er hat somit davon abgesehen, einen anderen Rechtsanwalt oder auch seine jetzige Prozessbevollmächtigte mit einem Vollstreckungsmandat zu beauftragen.

[12] Auch der Vorwurf, die Antragsgegner hätten versäumt, eine vollstreckbare Titelausfertigung zu beantragen, ist unbegründet. Ein Anwalt, dem nur ein Klagemandat, aber kein Vollstreckungsmandat erteilt worden ist, ist nicht verpflichtet, eine vollstreckbare Titelausfertigung zu beantragen. Ein solcher Antrag ist nicht vom Klagemandat umfasst, sondern bedarf eines Vollstreckungsmandats.

[13] Der Antragsteller hat (…) vorgetragen, die Antragsgegner hätten ihn "immer darauf verwiesen, sich um die Vollstreckung selbst zu kümmern". Damit hat er bestätigt, dass die Antragsgegner kein Vollstreckungsmandat übernommen haben.

[14] Darüber hinaus setzt eine Anwaltshaftung wegen Nichtbetreibens einer Zwangsvollstreckung voraus, dass eine solche, wäre sie betrieben worden, erfolgreich verlaufen wäre. Das ist hier nicht der Fall. Denn die Schuldnerin war vermögenslos. (…)

[16] Die Schuldnerin war bereits vermögenslos, als der Antragsteller seine Titel erstritten hatte. (…)

[18] Soweit die Antragsgegner den Titel des arbeitsgerichtlichen Verfahrens 4 Ca 357/15 nicht an den Antragsteller herausgegeben haben, begründete dies keine Pflichtverletzung. Vielmehr stand ihnen wegen unstreitiger Nichtzahlung restlichen Honorars ein Zurückbehaltungsrecht nach § 50 Abs. 3 BRAO zu. Zwar ist umstritten, ob ein Vollstreckungstitel eines Mandanten überhaupt einem Zurückbehaltungsrecht des Rechtsanwalts unterliegt. Die h.M., der der Senat darin folgt, bejaht dies aber und begründet dies überzeugend damit, dass auch die im Wege einer Vollstreckung für den Mandanten vereinnahmten Gelder einbehalten werden dürfen und diese Rechtslage für Titel ebenfalls gelten müsse (Offermann-Burckart, in: Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl. 2014, § 50 Rn 60; Träger, in: Feuerich/Weyland, BRAO, 9. Aufl. 2016, § 50 Rn 22; Hartung/Scharmer, BRAO, 6. Aufl. 2016, § 50 Rn 105; Jessnitzer/Blumberg, BRAO, 9. Aufl. 2000, § 50 Rn 11). Die Gegenauffassung verweist auf die Pflicht zur Herausgabe von Vermögenswerten des Mandanten nach § 43a BRAO i.V.m. § 4 BORA (Kleine-Cosack, BRAO, 7. Aufl. 2015, § 50 Rn 9 a.E.), übersieht dabei aber die Regelun...

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