Dieses Urteil passt in die aktuelle Tendenz der tagessatzbasierten Schmerzensgeldurteile und reiht sich in die Entscheidung des OLG Frankfurts ein.

Das LG Aurich hat ein Schmerzensgeld von insgesamt 800.000 EUR ausgeurteilt für einen fünfjährigen Jungen, der eine beidseitige Unterschenkelamputation unterhalb des Knies als Verletzungsfolge zu verzeichnen hatte. Ferner mussten zahlreiche Haut- und Muskelnekrosen im Gesicht, an den Armen und Oberschenkeln mit Spalthauttransplantationen versorgt werden. Der Kläger schwitzt aus diesem Grund auch stärker als ein Mensch, der nicht derartige Beeinträchtigungen zu verzeichnen hat. Zudem mussten die beiden Stümpfe künstlich mit Schienen gestreckt werden. Des Weiteren ist keine zufriedenstellende prothetische Versorgung der Beinstümpfe möglich. Es bestehen bei dem Kläger schmerzhafte Streck- und Beugungsdefizite in den Schultern, Ellenbogen und Knien jeweils beidseitig. Der Kläger leidet unter dauerhaften Phantomschmerzen. Es ist zukünftig mit Knochenkürzungen sowie der Amputation der anderen Kniescheibe zu rechnen. Hinzukommen massive psychische Probleme, die laut Gutachter im Alter noch fortschreiten werden.

Das Urteil ist bemerkenswert, weil für derartige Verletzungen bisher in Deutschland noch nie ein so hohes Schmerzensgeld ausgeurteilt wurde.

Die Auricher Richter waren sich bei der Abfassung des Urteils einig, dass dieses Urteil das Schmerzensgeldgefüge, welches bisher in Deutschland für derartige Verletzungen ausgeurteilt wurde, verändern wird. Das LG Aurich hat zwar nicht exakt die taggenaue Berechnung des Schmerzensgeldes nach der Methode von Schwintowski/Schah Sedi/Schah Sedi angewandt, es hat jedoch die 800.000 EUR Schmerzensgeld damit begründet, in dem es bei dem fünfjährigen Jungen von einer noch statistischen weiteren Lebenserwartung von 80 Jahren ausging und einen Jahresbetrag von 10.000 EUR für angemessen hielt. Dies entspricht einem Monatsbetrag von 833 EUR und einem Tagesssatz von ca. 27 EUR. Das LG Aurich fand angesichts der unendlichen Schmerzen und der unendlichen Lebensbeeinträchtigung, die der Junge bis ans Lebensende aktuell zu ertragen hat, ein solches Schmerzensgeld für angemessen.

Die Entscheidung des LG Aurich ist auch deshalb bahnbrechend, weil das Gericht auch hier von der Lebenserwartung des Betroffenen ausgeht und das Schmerzensgeld, welches dem Kläger zur Verfügung steht, pro Monat beziffert. Die 800.000 EUR per se sehen am Anfang recht viel aus, wenn man dies jedoch auf den Tagessatz runterrechnet von ca. 27 EUR pro Tag, sind diese angesichts der erheblichen Lebensbeeinträchtigung gerechtfertigt.

Die Entscheidung des LG Aurich ist noch nicht rechtskräftig. Sie liegt dem OLG Oldenburg als Berufungsinstanz vor.

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