StVG § 17 Abs. 1 S. 2 § 18; StVO § 7 Abs. 5 § 41 i.V.m. den Zeichen 209, 297

Leitsatz

1) Das aus der Fahrbahnmarkierung folgende Fahrtrichtungsgebot verbietet eine Abweichung auf eine andere Fahrspur mit geänderter Fahrtrichtung.

2) Bei einem unfallursächlichen Zusammentreffen des fehlerhaften Wechsels der Fahrspur gem. § 7 Abs. 5 StVO und der Missachtung der Pfeilmarkierung ist eine Mithaftung des Verletzers der Pfeilmarkierung von einem Drittel anzunehmen.

(Leitsätze der Schriftleitung)

LG Saarbrücken, Urt. v. 2.11.2018 – 13 S 122/18

Sachverhalt

Die Kl. nimmt die beklagte Haftpflichtversicherung und den Fahrer des unfallbeteiligten, haftpflichtversicherten Kfz aus einem Verkehrsunfall auf Schadensersatz in Anspruch. Die Kl. befuhr mit ihrem Pkw die rechte Fahrspur in Richtung der Auffahrt zur BAB. Der Bekl. zu 2) befuhr mit einem in Belgien zugelassenen Lkw die linke Fahrspur in gleicher Richtung. An einer ampelgeregelten Kreuzung mussten beide Fahrzeuge anhalten. An dieser Stelle erlaubte die Markierung auf der linken Fahrspur ein Abbiegen nach links, für die rechte Fahrspur eine Geradeausfahrt oder ein Abbiegen nach rechts (Zeichen 209, 297). Jenseits der Kreuzung wird die Auffahrt zu einer Brücke zweispurig geführt, wobei die rechte Fahrspur in die linke übergeleitet wird. Nachdem die Ampel auf Grün umsprang, fuhr die Kl. geradeaus über die Kreuzung und sodann auf die rechte Fahrspur der Auffahrt. In Höhe des unter der Brücke befindlichen Parkplatzes setzte sie den Fahrtrichtungsanzeiger und lenkte ihr Fahrzeug auf den linken Fahrstreifen. Der Bekl. zu 2) fuhr entgegen der Richtungsmarkierung ebenfalls geradeaus über die Kreuzung und sodann auf die linke der Fahrspuren. Beim beiderseitigen Wechsel der Fahrspuren kam es zur Kollision beider Fahrzeuge.

Das Amtsgericht hat die Klage auf Erstattung des Wiederbeschaffungswertes abzgl. des Restwertes, des Nutzungsausfalls, der Gutachterkosten, der Kostenpauschale und der vorgerichtlichen Anwaltskosten abgewiesen.

Die Berufung der Kl., die sich lediglich eine Mithaftung von 25 % anrechnen lassen will, hatte teilweise Erfolg.

2 Aus den Gründen:

"… Die zulässige Berufung der Kl. hat in der Sache teilweise Erfolg. Die der Berufungsentscheidung nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen eine abweichende Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO)."

1. Das Erstgericht ist zunächst davon ausgegangen, dass sowohl die Bekl. als auch die Kl. grds. für die Folgen des streitgegenständlichen Unfallgeschehens gem. §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1, 2, 18 Abs. 1 StVG i.V.m. § 115 VVG, § 6 AuslPflVG – der Bekl. zu 1), der nach § 2 Abs. 1b AuslPflVG an die Stelle des zuständigen Versicherers getreten ist, haftet dabei grds. in gleicher Weise wie der Kfz-Haftpflichtversicherer eines Kfz mit regelmäßigem Standort im Inland – einzustehen haben, weil die Unfallschäden jeweils bei dem Betrieb eines Kfz entstanden sind, der Unfall nicht auf höhere Gewalt zurückzuführen ist und für keinen der beteiligten Fahrer ein unabwendbares Ereignis i.S.d. § 17 Abs. 3 StVG darstellte. Dies ist zutreffend und wird von der Berufung auch nicht in Zweifel gezogen.

2. Zu Recht und von der Berufung ebenfalls nicht (mehr) beanstandet hat das AG in die danach gebotene Haftungsabwägung der wechselseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile gem. § 17 Abs. 1, 2 StVG einen der Kl. zuzurechnenden Verstoß gegen § 7 Abs. 5 StVO eingestellt. Indem diese auf den linken Fahrstreifen wechselte, ohne Rückversicherung, ob sich dort ein Fahrzeug befand, versäumte sie es, eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auszuschließen.

3. Mit Erfolg wendet die Berufung allerdings ein, dass dem Bekl. zu 2) vorliegend ein Verstoß gegen § 41 StVO i.V.m. Zeichen 209, 297 (Pfeilmarkierung) als unfallursächlich zur Last zu legen ist. Das aus der Fahrbahnmarkierung folgende Fahrtrichtungsgebot (vgl. BGH, Urt. v. 11.2.2014 – VI ZR 161/13, VersR 2014, 208; Lafontaine, in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, § 41 StVO, Rn 321), das auf der linken Fahrspur lediglich Linksabbiegen erlaubt, hat der Zweitbekl. durch das Geradeausfahren auf die Auffahrt zur (…)Brücke missachtet. Die Kl. durfte demgegenüber grds. davon ausgehen, dass der Lkw die vorgegebene Fahrtrichtung einhalten und nicht unter Verstoß gegen die Markierung geradeaus über die Kreuzung fahren würde (vgl. LG Gießen, Beschl. v. 9.10.2013 – 1 S 198/13, juris; Lafontaine a.a.O.). Allein der Umstand, dass die Auffahrt zur (…)Brücke im Bereich der Unfallstelle zweispurig ist und daher grds. stets mit Verkehr auf der linken Fahrspur zu rechnen ist, bedeutet nicht, wie die Erstrichterin meint, dass sich der Verkehrsverstoß des Zweitbekl. vorliegend nicht unfallursächlich ausgewirkt hätte. Der Kreuzungsbereich zur (…)Straße ist durch eine Ampelschaltung geregelt. Diese verhindert i.d.R. gerade – von der Möglichkeit eines seitlichen Vorbeischiebens an vorausfahrenden Fahrzeugen abgesehen –, dass sich bei Grünlicht aus Richtung (…)Weg andere Fahrzeuge auf der linken Fahrspur befinden. Dementsprechend hat sich ...

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