1) Die unfallbedingte Beschädigung eines Kfz kann dazu führen, dass entweder aus technischen Gründen das Fahrzeug nicht mehr hergestellt werden kann (technischer Totalschaden) oder die Wiederherstellungskosten eine solche Höhe erreichen, dass der Entschluss zur Reparatur als wirtschaftlich unvernünftig erscheint (wirtschaftlicher Totalschaden). Die Fallgruppe des technischen Totalschadens wird nur bei einer völligen Zerstörung des Fahrzeugs etwa durch ein Brandereignis bejaht werden können, da die weit entwickelte Reparaturtechnik Beschädigungen, die unter diesem Zerstörungsgrad liegen, wenn auch mit erheblichen Aufwendungen beheben und das Fahrzeug wiederherstellen kann (vgl. Richter, in: Himmelreich/Halm, "Handbuch des Fachanwalts Verkehrsrecht", 6. Aufl., Kapitel 4 Rn 30). Die Rechtfertigung dafür, dem Geschädigten wegen wirtschaftlicher Unvernunft der Reparatur den Ersatz der dann überhöhten Wiederherstellungskosten zu versagen, ergibt sich aus der in § 249 BGB angeordneten Einschränkung der Bemessung des Schadens durch die "Erforderlichkeit" der Schadensbehebung. Damit wird nicht nur angeordnet, dass die einzelnen Reparaturschritte zur Behebung der Schäden und zur Wiederherstellung des beschädigten Kfz notwendig sein müssen, sondern auch, dass die Entscheidung des Geschädigten zu reparieren, subjektiv nachvollziehbar und damit vernünftig ist. Die Grenze zwischen der Beurteilung des verwirklichten Reparaturentschlusses als noch vernünftig oder schon unvernünftig wird durch eine Vergleichsbetrachtung zwischen dem geschätzten Reparaturaufwand und dem Wiederbeschaffungswert gewonnen. Wiederbeschaffungswert ist dabei der Betrag, den der Geschädigte aufwenden muss, um von einem seriösen Gebrauchtwagenhändler ein vergleichbares Fahrzeug erwerben zu können (vgl. BGH VersR 1966, 380). Für die Vergleichsbetrachtung sind die Bruttowerte maßgeblich (Vgl. BGH zfs 2000, 439). Naheliegend wäre es, die Grenzziehung bei einer Überschreitung des Wiederbeschaffungswertes durch die Reparaturkosten anzunehmen.

Dabei bleibe jedoch außer Betracht, dass der Entschluss des Geschädigten zur Instandsetzung und dessen Verwirklichung einen weitergehenden wirtschaftlichen Wert begründet. Der Eigentümer des Kfz weiß, wie das Fahrzeug eingefahren worden ist, wie es gewartet wurde und welche Mängel eintreten können (vgl. BGH zfs 2008, 143). Diesen aus der Vertrautheit mit dem Fahrzeug stammenden Umständen kommt ein selbstständiger Wert zu, der bei der Schätzung des Wiederbeschaffungswertes nicht berücksichtigt worden ist. Das darauf zurückzuführende Integritätsinteresse des Geschädigten führt zu einer Erhöhung der Opfergrenze, sodass Reparaturkosten bis zu 130 % ersatzfähig sind, wobei der Restwert außer Betracht bleibt (vgl. BGH zfs 1992, 8; OLG Düsseldorf zfs 2001, 111; OLG Oldenburg zfs 200, 339).

Die bloße formale Ausnutzung dieser großzügigeren Abrechnung wird dadurch verhindert, dass das Integritätsinteresse des Geschädigten auch bei vollständiger und fachgerechter Reparatur in der Regel sechs Monate weiter nutzen muss (BGH zfs 2008, 143), wobei die Sechs-Monatsfrist keine Fälligkeitsbestimmung ist (vgl. BGH zfs 2009, 79). Ein naheliegender Versuch die günstige Abrechnung der Reparaturkosten bis zu 130 % des Wiederbeschaffungswertes durchzusetzen, lässt sich auch nicht dadurch erreichen, dass die Abrechnung eine Aufspaltung in einen wirtschaftlich vernünftigen und unvernünftigen Teil – letzterer von dem Geschädigten selbst zu tragen – vornimmt (vgl. BGH zfs 2007, 686; BGHZ 115, 375.)

2) Dieses auf Kfz zugeschnittene Sachschadensrecht überträgt die Entscheidung des OLG München überzeugend auf unfallbeschädigte Fahrräder. Der Grad der Vertrautheit des Eigentümers mit seinem Fahrrad ist ähnlich intensiv wie der des Halters eines Kfz. Das alles half dem Geschädigten nicht, die weit jenseits der 130 %-Grenze liegenden Reparaturkosten abzurechnen.

RiOLG a.D. Heinz Diehl

zfs 8/2019, S. 440 - 442

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