[3] "… Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die den Bekl. als Halter seines Hundes grds. treffende Tierhalterhaftung kann im Streitfall nicht mit der Begründung verneint werden, sie sei wegen freiwilliger Risikoübernahme durch die Kl. mit dem Schutzzweck des § 833 S. 1 BGB nicht vereinbar."

[4] 1. Das BG hat offengelassen, ob sich die Kl. die Gesichtsverletzung durch einen Biss des Hundes des Bekl. zugezogen hat. Dies ist deshalb im Revisionsverfahren zu ihren Gunsten zu unterstellen.

[5] 2. § 833 S. 1 BGB begründet eine Gefährdungshaftung des Tierhalters für den Fall, dass ein anderer durch das Tier in einem der in dieser Vorschrift genannten Rechtsgüter verletzt wird. Der Grund für die strenge Tierhalterhaftung liegt in dem unberechenbaren oder aber auch instinktgemäßen selbsttätigen tierischen Verhalten und der dadurch hervorgerufenen Gefährdung von Leben, Gesundheit und Eigentum Dritter, also der verwirklichten Tiergefahr (vgl. Senatsurt. v. 6.7.1976 – VI ZR 177/75, BGHZ 67, 129, 130, und v. 20.12.2005 – VI ZR 225/04, VersR 2006, 416 Rn 7, jeweils m.w.N.; dazu kritisch: Schiemann, in: Erman, BGB, 13. Aufl., § 833 Rn 4 m.w.N.; vgl. auch Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 5. Aufl., § 9 Rn 12 f.; Moritz, in: jurisPK-BGB, 6. Aufl., § 833 Rn 14 ff.). Diese ist dann nicht anzunehmen, wenn keinerlei eigene Energie des Tieres an dem Geschehen beteiligt ist. Verletzungen durch Hundebisse sind danach grds. der spezifischen Tiergefahr zuzurechnen.

[6] 3. Der Tierhalterhaftung des Bekl. steht nicht entgegen, dass die Kl. seinen Hund für zehn Tage in ihrer Hundepension aufnahm und für diese Zeit die Beaufsichtigung des Tieres übernahm. Die Haftung des Tierhalters nach § 833 S. 1 BGB greift nach herrschender Meinung in Rspr. und Literatur nämlich grds. auch dann ein, wenn ein Tieraufseher im Rahmen seiner Aufsichtsführung durch das betreute Tier verletzt wird (vgl. Senatsurt. v. 12.1.1982 – VI ZR 188/80, VersR 1982, 366, 367; v. 19.1.1982 – VI ZR 132/79, VersR 1982, 348 f., und v. 9.6.1992 – VI ZR 49/91, VersR 1992, 1145, 1146; BGH, Urt. v. 26.6.1972 – III ZR 32/70, VersR 1972, 1047, 1048; OLG Hamm VersR 1975, 865; OLG Frankfurt VersR 1997, 456; OLG Karlsruhe NJW-RR 2009, 453; Palandt/Sprau, BGB, 73. Aufl., § 834 Rn 3; Geigel/Haag, Der Haftpflichtprozess, 26. Aufl., Kap. 18 Rn 39; Wussow/Rüge, Unfallhaftpflichtrecht, 16. Aufl., Kap. 11 Rn 11; a.A. MüKo-BGB/Wagner, 6. Aufl., § 833 Rn 20).

[7] 4. Zu Unrecht verneint das BG einen Anspruch der Kl. aus § 833 S. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der freiwilligen Risikoübernahme. Bei der Tierhalterhaftung hat der erkennende Senat eine vollständige Haftungsfreistellung des Tierhalters unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr nur in eng begrenzten Ausnahmefällen erwogen. Der Umstand, dass sich der Geschädigte der Gefahr selbst ausgesetzt hat, ist regelmäßig erst bei der Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile nach § 254 BGB zu berücksichtigen (Senatsurt. v. 17.3.2009 – VI ZR 166/08, VersR 2009, 693 Rn 7; vgl. auch Schiemann, a.a.O. Rn 6; Moritz, a.a.O. Rn 30; jeweils m.w.N.). Unter welchen Voraussetzungen die Tierhalterhaftung ausnahmsweise bereits im Anwendungsbereich ausgeschlossen sein könnte, weil deren Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstieße (vgl. Senatsurt. v. 20.12.2005 – VI ZR 225/04, a.a.O. Rn 14 ff. m.w.N.), kann hier offenbleiben, denn ein solcher Ausnahmefall ist vorliegend nicht gegeben.

[8] a) Für Fallgestaltungen, in denen sich Personen der Tiergefahr aus beruflichen Gründen vorübergehend aussetzen, ohne dabei die vollständige Herrschaft über das Tier zu übernehmen, wird ein genereller Ausschluss der Tierhalterhaftung sowohl unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr als auch unter Schutzzweckerwägungen von der höchstrichterlichen Rspr. abgelehnt (vgl. Senatsurt. v. 17.3.2009 – VI ZR 166/08, a.a.O. Rn 11 und 19 m.w.N.). Für Fälle der vorliegenden Art kann grds. nichts anderes gelten.

[9] b) Der Auffassung des BG, eine Haftung des Bekl. werde deshalb nicht vom Schutzzweck der Norm des § 833 S. 1 BGB umfasst, weil das Interesse der Kl., den Hund aufzunehmen, das des Bekl. überwiege, weil sie mit dem Betrieb der Hundepension ihren Lebensunterhalt verdiene, kann nicht gefolgt werden. Der erkennende Senat ist einer solchen Sichtweise bereits früher entgegengetreten (Senatsurt. v. 28.5.1968 – VI ZR 35/67, VersR 1968, 797, 798). Er hat für den Fall der Verletzung eines Hufschmiedes durch ein zu beschlagendes Pferd ausgeführt, es sei grds. davon auszugehen, dass ein Hufschmied durch Abschluss des Werkvertrags allein noch nicht die Gefahr einer Verletzung durch das Tier übernehme. Denn es entspreche weder der Interessenlage noch den Erfordernissen von Treu und Glauben, dass der Hufschmied, der sich der mit dem Hufbeschlag notwendig verbundenen Tiergefahr aussetzen müsse, um seinen Lebensunterhalt zu erwerben, auch die durch die Tiergefahr hervorgerufenen Schadensfolgen auf sich nehme, d...

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