Der Winterdienst gehört nicht zur Straßenbaulast (§ 3 III FstG, § 9 III 1 BayStrWG).[1] Eine direkte gesetzliche Verpflichtung auf Bundes- oder Landesebene zu einem Winterdienst gibt es in Deutschland nicht. Es bleibt Aufgabe der Kommunen (meist der Gemeinden), innerhalb ihrer Leistungsfähigkeit und geschlossener Ortslage die öffentlichen Straßen von Schnee zu befreien.[2] Sie sind auch verpflichtet, alle gefährlichen Fahrbahnstellen, Fußgängerüberwege und Gehbahnen bei Glätte zu streuen, soweit das dringend erforderlich ist und nicht andere aufgrund sonstiger Rechtsvorschriften (insbesondere der Verkehrssicherungspflicht) hierzu verpflichtet sind.

[1] Ähnliche Normierungen bestehen in anderen Bundesländern ebenfalls.
[2] Vgl. für Bayern § 51 I BayStrWG, vergleichbare Regelungen existieren in jedem Bundesland, einen guten Überblick über die jeweilige Situation in den einzelnen Bundesländern liefert Geigel/Wellner, Der Haftpflichtprozess, 26. Auflage 2011, Rn 134 ff.

I. Abwälzung des Winterdienstes

Daneben steht es Gemeinden offen (z.B. § 51 I, II, IV, V BayStrWG), durch Rechtsverordnung private Anlieger bzw. Hinterlieger zu verpflichten, Gehwege sowie gemeinsame Geh- und Radwege der an ihr Grundstück angrenzenden oder ihr Grundstück erschließenden öffentlichen Straßen zu räumen und zu streuen. Wenn kein Gehweg oder gemeinsamer Geh- und Radweg vorhanden ist, können sie verpflichtet werden, öffentliche Straßen in der für den Fußgängerverkehr erforderlichen Breite in sicherem Zustand zu erhalten. Von dieser Möglichkeit der Abwälzung des Winterdienstes auf Private wird in der Praxis häufig Gebrauch gemacht. Obwohl bei der Gemeinde in diesem Fall eine Pflicht zur Überwachung des Winterdienstes verbleibt, scheiden Ansprüche des Geschädigten gegen die Gemeinde wegen Verletzung dieser Pflicht in der Praxis regelmäßig aus, weil eine Amtspflichtverletzung nicht festzustellen ist.[3] Deshalb wendet sich der Geschädigte – in aller Regel – an den verkehrssicherungspflichtigen Anlieger.

[3] BGH, 11.6.1992 – III ZR 134/91, NJW 1992, 2476; OLG Düsseldorf, 23.10.1997 – 18 U 24/97, VersR 1999, 315.

II. Besondere Verkehrssicherungspflicht wegen selbst geschaffener besonderer Gefahrenlage

Auch wenn die Gemeinde den Winterdienst nicht auf die Anlieger übertragen hat, haftet der Privatanlieger im Ausnahmefall trotzdem, wenn er eine besondere Gefahrenlage geschaffen hat. Einen derartigen Fall hat das OLG Naumburg[4] entschieden: Das Gericht führte aus: "Unabhängig von der allgemeinen Räum- und Streupflicht ist beispielsweise auch ein Hauseigentümer verpflichtet, bei winterlichen Temperaturen Vorkehrungen gegen das Ausrutschen von Fußgängern auf dem öffentlichen Gehweg vor seinem Haus zu treffen, wenn er eine besondere Gefahrenlage durch die Ableitung seiner Dachentwässerung auf den Gehweg geschaffen hat. Auf die Ortsüblichkeit einer solchen Entwässerung kommt es für die Frage der Begründung der Verkehrssicherungspflicht nicht an." Das Gericht erachtete allein die – im konkreten Fall zu klärende[5] – Erforderlichkeit und Zumutbarkeit einer Räum- und Streupflicht als maßgeblich. Jedermann, der in seinem Verantwortungsbereich eine zusätzliche Gefahrenlage gleich welcher Art für Dritte schafft oder andauern lässt, hat die allgemeine Rechtspflicht, diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die erforderlich und für ihn zumutbar sind, um die Schädigung Dritter zu verhindern.[6]

[5] Das bloße Streuen von Rollsplit reicht bei besonders gefahrträchtigen Stellen eines hoch frequentierten Gehwegs in aller Regel nicht aus, es sollte sicherheitshalber zusätzlich ein Warnhinweis angebracht werden.
[6] OLG Naumburg, 12.12.2013 – 2U 25/13, BeckRS 2014, 02896.

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