Innerhalb geschlossener Ortschaften müssen Fahrbahnen des öffentlichen Verkehrs von den Anliegern lediglich dann geräumt und gestreut werden, wenn es sich um verkehrswichtige oder gefährliche Stellen handelt.[41] Die demnach erforderliche Gefahrenlage ist nicht schon dadurch nachgewiesen, dass eine Straße entlang eines Flussufers verläuft. Vielmehr liegen die Voraussetzungen einer Streupflicht nur vor, wenn der durchschnittliche Verkehrsteilnehmer die aus der besonderen Lage resultierenden winterlichen Risiken trotz Beachtung der im Winter zu fordernden gesteigerten Sorgfalt nicht beherrschen kann.[42] Verkehrssicherungspflicht besteht auch, wo Fußgänger die Fahrbahn zwingend benutzen müssen, z.B. weil die Fahrbahn gequert werden muss.[43] Verkehrswichtig sind insbesondere Hauptstraßen und verkehrsreiche Durchgangsstraßen, nicht dagegen Nebenstraßen und Stichwege zu Anliegern; das gilt selbst, wenn auf diesen Busverkehr herrscht.[44] Die gerichtliche Tatsachenfeststellung, dass die Straße "möglicherweise als verkehrsbedeutsam angesehen werden" kann, reicht nicht aus.[45] Die Erklärung eines Zeugen, wonach die Straße, "relativ viel befahren" sei, da sie eine Durchgangsstraße zur S-Bahn sei, lässt offen, ob die Straße tatsächlich und insbesondere zum Zeitpunkt der geltend gemachten Verletzung der Verkehrssicherungspflicht die Bedeutung einer vielbefahrenen innerörtlichen Hauptverkehrsstraße erreicht, wie es die Rechtsprechung verlangt.[46] Gefährliche Stellen sind Straßenstellen, an denen Kraftfahrer erfahrungsgemäß bremsen, ausweichen oder sonst ihre Fahrtrichtung oder Geschwindigkeit ändern, weil gerade diese Umstände bei Schnee- und Eisglätte zum Schleudern oder Rutschen und damit zu Unfällen führen können.[47]

Außerhalb geschlossener Ortschaften besteht eine Verkehrssicherungspflicht dann, wenn eine erkennbare besondere Gefahrenlage vorliegt, also dort, wo Anlage und Zustand der Straße die Bildung von Glatteis derart begünstigen oder seine Wirkung in einer Weise erhöhen, dass diese besonderen Verhältnisse vom Fahrer trotz der bei Fahren auf winterlichen Straßen von ihm zu fordernden erhöhten Sorgfalt nicht oder nicht rechtzeitig zu erkennen sind.[48]

[43] OLG Düsseldorf, 12.6.1986 – 18 U 11/86, VersR 1988, 274.
[44] OLG München, 10.10.2012 – 1 U 2853/12, BeckRS 2012, 21966; OLG Hamm, 6.3.2009 – 9 U 153/08, MDR 2009, 1111.
[45] OLG München, 10.10.2012 – 1 U 2853/12, BeckRS 2012, 21966.
[46] OLG München, 10.10.2012 – 1 U 2853/12, BeckRS 2012, 21966.
[47] BGH, 1.1.1959 – III ZR 96/58, NJW 1960, 32; BGH, 3.5.1984 – III ZR 34/83, VersR 1984, 890, 891.
[48] OLG Braunschweig, 20.2.2006 – 3 U 42/06, NZV 2006, 586.

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