BGB § 249

Leitsatz

Im Fall einer fiktiven Schadensabrechnung des Geschädigten kann der Verweis des Schädigers auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen anderen markengebundenen oder freien Fachwerkstatt noch im Rechtsstreit erfolgen, soweit dem nicht prozessuale Gründe, wie die Verspätungsvorschriften, entgegenstehen.

BGH, Urt. v. 14.5.2013 – VI ZR 320/12

Sachverhalt

Der Kl. hat nach einem Verkehrsunfall den ihm entstandenen Fahrzeugschaden gegen den in voller Höhe eintrittspflichtigen Haftpflichtversicherer des Geschädigten geltend gemacht. Der Kl., der die Reparatur in Eigenregie durchgeführt hat, hat den Schaden gegenüber der Bekl. auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens abgerechnet. Die Bekl. hat erst in der ersten Instanz Werkstätten benannt, die unstreitig zu den von der Bekl. in ihrem Prüfgutachten angesetzten Kosten repariert hätte. Der Kl. hat die Verurteilung des bekl. Haftpflichtversicherers zur Zahlung des von diesem vorgenommenen Kürzungsbetrag verfolgt. Das AG hat die Klage abgewiesen. Das BG hat die Berufung des Kl. Zurückgewiesen. Es ist davon ausgegangen, dass die Verweisung des Schädigers bzw. seines Haftpflichtversicherers auf kostengünstigere Referenzwerkstätten im Fall der fiktiven Schadensabrechnung noch im Rechtsstreit möglich sei. Die zugelassene Revision des Kl. hatte keinen Erfolg.

2 Aus den Gründen:

[7] "… 1. Die Ansicht des BG, dass der Schädiger den Geschädigten, der fiktiv abrechnet, noch im Rechtsstreit auf günstigere Reparaturmöglichkeiten in einer Referenzwerkstatt verweisen kann, ist nicht zu beanstanden."

[8] a) Der Geschädigte darf, sofern die Voraussetzungen für eine fiktive Schadensberechnung vorliegen, dieser grds. die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (Senatsurt. v. 29.4.2003 – VI ZR 398/02, BGHZ 155, 1, 4 – Porsche-Urteil; v. 20.10.2009 – VI ZR 53/09, BGHZ 183, 21 Rn 7 f. – VW-Urteil; v. 22.6.2010 – VI ZR 302/08, VersR 2010, 1096 Rn 6 – Audi-Quattro-Urteil; v. 22.6.2010 – VI ZR 337/09, VersR 2010, 1097 Rn 6 – Mercedes-A 170-Urteil). Nach der Rspr. des erkennenden Senats besteht grds. ein Anspruch des Geschädigten auf Ersatz der in einer markengebundenen Vertragswerkstatt anfallenden Reparaturkosten unabhängig davon, ob der Geschädigte den Wagen tatsächlich voll, minderwertig oder überhaupt nicht reparieren lässt (vgl. z.B. Senatsurt. v. 23.3.1976 – VI ZR 41/74, BGHZ 66, 239, 241; v. 29.4.2003 – VI ZR 398/02, BGHZ 155, 1, 3). Allerdings ist unter Umständen ein Verweis des Schädigers auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen anderen markengebundenen oder “freien’ Fachwerkstatt möglich, wenn der Schädiger darlegt und ggf. beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht und der Geschädigte keine Umstände aufzeigt, die ihm eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen (Senatsurt. v. 20.10.2009 – VI ZR 53/09, a.a.O. Rn 12 ff. – VW-Urteil; v. 23.2.2010 – VI ZR 91/09, VersR 2010, 923 Rn 9, 11 – BMW-Urteil; v. 22.6.2010 – VI ZR 302/08, VersR 2010, 1096 Rn 7 – Audi-Quattro-Urteil; v. 22.6.2010 – VI ZR 337/09, VersR 2010, 1097 Rn 7 – Mercedes-A 170-Urteil; v. 13.7.2010 – VI ZR 259/09, VersR 2010, 1380 Rn 7 – Mercedes-A 140-Urteil).

[9] b) Hinsichtlich des Zeitpunkts, zu dem der Verweis spätestens erfolgen muss, bestehen unterschiedliche Auffassungen. Vertreten wird etwa, der Kfz-Haftpflichtversicherer könne den Unfallgeschädigten bei fiktiver Abrechnung des Unfallschadens an einem fünf Jahre alten Fahrzeug auch noch zu einem späteren Zeitpunkt, der mehrere Wochen nach dem Unfall liege, und zu dem das Fahrzeug bereits repariert worden sei, auf eine von ihm konkret benannte und dem Geschädigten zumutbare und zugängliche, technisch gleichwertige, aber kostengünstigere Reparaturmöglichkeit verweisen, es sei denn, der Geschädigte habe das Fahrzeug in einer markengebundenen Fachwerkstatt reparieren lassen (z.B. OLG Braunschweig, Urt. v. 27.7.2010 – 7 U 51/08, juris Rn 18). Zum Teil wird es für ausreichend gehalten, dass im Fall der fiktiven Schadensberechnung der Schädiger auch noch erstmals im Prozess auf eine günstigere Werkstatt verweist (LG Frankfurt, Urt. v. 19.1.2011 – 2-16 S 121/10, juris; LG Stuttgart, Urt. v. 19.7.2010 – 4 S 48/10, juris Rn 14; AG Flensburg, Urt. v. 8.1.2013 – 62 C 131/12, juris Rn 8 ff.; AG Nordhorn, Urt. v. 19.6.2012 – 3 C 1596/11, juris Rn 28 ff.). Die Möglichkeit, erst im Prozess auf freie Werkstätten zu verweisen, wird von anderen abgelehnt, wobei u.a. darauf abgestellt wird, der Verweis müsse in dem Zeitpunkt bekannt sein, in dem der Geschädigte gewöhnlich seine Dispositionsentscheidung treffe, also zeitnah nach dem Unfall (vgl. LG Kiel, Urt. v. 25.11.2011 – 1 S 37/11, juris Rn 23 ff.; LG Frankenthal, Urt. v. 7.3.2012 – 2 S...

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