BGB § 833 S. 2

Leitsatz

Einem Reitverein, der sich im Rahmen seiner satzungsmäßigen Aufgaben der Reittherapie von Behinderten widmet, steht grds. die Entlastungsmöglichkeit nach § 833 S. 2 BGB nicht zu.

BGH, Urt. v. 21.12.2010 – VI ZR 312/09

Sachverhalt

Die Kl. macht die Verurteilung des Bekl. zu 2), eines eingetragenen Vereins für Reittherapie von Behinderten zur Zahlung von Schmerzensgeld und auf Feststellung der Ersatzpflicht der Bekl. wegen künftiger Schäden aus einem Reitunfall geltend. Bei einem Sturz der Kl. von dem Pferd im Rahmen einer von dem Bekl. zu 1) erteilten Reitstunde stürzte die Kl., die an einer Behinderung leidet, von dem Pferd Ronny, dessen Halter der Bekl. zu 2) ist. Der Hergang des Reitunfalls, bei dem die Tochter der Kl. mit dem Pferd Princess vorausritt, dessen Halter der Bekl. zu 1) ist, ist zwischen den Parteien streitig. Nach der Darstellung der Kl. soll Princess unerwartet stehen geblieben sein und habe gegen den auflaufenden Ronny mit der Hinterhand ausgekeilt, worauf dieser durchgegangen sei und die Kl. abgeworfen habe. Nach der Darstellung der Bekl. habe sie durch hysterische Zurufe an ihre Tochter Ronny zum Galopp veranlasst. Als sie im Galopp mit Ronny Princess in zu geringem Abstand überholt habe, habe dieser den Schweif gedreht, aber nicht ausgeschlagen. Der Bekl. zu 1) ist entsprechend den Klageanträgen verurteilt worden. Die vom BG unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils erfolgte Verurteilung des Bekl. zu 2) ist mit der Revision angegriffen worden. Das BG ging davon aus, dass das abrupte Stehenbleiben von Ronny eine den Haftungstatbestand des § 833 BGB ausfüllende Verwirklichung der Tiergefahr sei und der Bekl. zu 2) und der bekl. Verein als Idealverein therapeutisches Reiten nicht als Beruf ausübe. Das sei deshalb ausgeschlossen, weil die hauptsächliche Zweckbestimmung der Tätigkeit des Bekl. zu 2) nicht dem Erwerb diene. Der Kl. könne auch nicht ein Mitverschulden entgegen gehalten werden, weil sie sich trotz ihrer Vorschädigung, die sie im Gebrauch beider Beine beeinträchtige, wodurch sie keinen ausreichenden Schenkeldruck entwickeln könne, dem Risiko des Reitunterrichtes ausgesetzt habe. Bei dem ihr angebotenen therapeutischen Reiten habe sie vielmehr erwarten dürfen, dass es unter entsprechender Rücksichtnahme ausgeübt werde. Die Revision des Bekl. zu 2) hatte keinen Erfolg.

2 Aus den Gründen:

[5] „2. Entgegen der Auffassung der Revision durfte das BG jedoch auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen rechtsfehlerfrei davon ausgehen, dass sich bei dem Reitunfall der Kl. die typische Tiergefahr des von der Bekl. zu 2) gehaltenen Pferdes Ronny verwirklicht hat und die Kl. dadurch vom Pferd gestürzt ist. Nach den Feststellungen des BG ist der Sturz dadurch verursacht worden, dass Ronny aus dem Galopp heraus zumindest abrupt stehen geblieben ist, wenn nicht sogar gebuckelt hat. Die hiergegen gerichteten Verfahrensrügen der Revision haben – worauf die Revisionserwiderung mit Recht hinweist – bereits deshalb keinen Erfolg, weil das BG zumindest die Tatsache, dass das Pferd Ronny aus dem Galopp abrupt stehen geblieben ist, in seinem Urt. ausdrücklich als unstreitig bezeichnet hat. Damit nimmt diese Feststellung an der Tatbestandswirkung des § 314 ZPO teil (vgl. etwa BGH, Beschl. v. 24.6.2010 – III ZR 277/09, juris Rn 3 m.w.N.). Die entsprechende tatbestandliche Feststellung erbringt somit Beweis für ein insoweit übereinstimmendes Parteivorbringen, nachdem ein Tatbestandsberichtigungsantrag gem. § 320 Abs. 1 ZPO nicht gestellt worden ist. Die entsprechende tatbestandliche Feststellung des BG ist auch nicht durch das Sitzungsprotokoll entkräftet (§ 314 S. 2 ZPO). Der Vorrang des Protokolls erstreckt sich nur auf diejenigen Punkte, die gesetzlich in das dem Urt. zu Grunde liegende Protokoll aufzunehmen sind; dazu gehören nicht Einzelheiten des streitigen Verhandelns. Deshalb kann aus der Tatsache, dass das Protokoll zu dem im Urt. als unstreitig bezeichneten Vorbringen schweigt, entgegen der Auffassung der Revision kein Beweis für das Gegenteil hergeleitet werden. Im Übrigen erstreckt sich die mündliche Verhandlung im Zweifel auf den gesamten bis zum Termin angefallenen Akteninhalt (vgl. Senatsurt. v. 27.5.1986 – VI ZR 275/85, VersR 1986, 1077, 1078; BGH, Urt. v. 29.4.1981 – VIII ZR 157/80, MDR 1981, 1012).

[6] Darüber hinaus weist die Revisionserwiderung zutreffend darauf hin, dass der Bekl. zu 1 ausdrücklich eingeräumt hat, dass Ronny abrupt stehen geblieben und die Kl. sodann hinuntergefallen sei. Ob eine Haftung des Bekl. zu 2 darüber hinaus auch unter dem Aspekt begründet wäre, dass das Pferd Ronny zusätzlich gebuckelt hat, konnte das BG mit Recht dahinstehen lassen.

[7] 3. Das BG hat dem Bekl. zu 2) auch ohne Rechtsfehler eine Entlastungsmöglichkeit über das so genannte Nutztierprivileg i.S.d. § 833 S. 2 BGB versagt. Das Berufungsurteil steht insoweit im Einklang mit der St. Rspr. des erkennenden Senats (vgl. Senatsurt. v. 27.5.1986 – VI ZR 275/85, VersR 1986, 1077, 1078 f. und v. 26.11.1985 – VI ZR 9/8...

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