StVO §§ 2 Abs. 4 S. 2, 45 Abs. 9 S. 2

Leitsatz

1. Das Abschleppen parkender Fahrzeuge ist nicht schon gerechtfertigt bei jedem minimalen Hineinragen in einen Radweg, dessen Benutzung vorgeschrieben ist. Mit Blick auf höhere Geschwindigkeiten gegenüber dem Fußgängerverkehr und erforderliche Sicherheitsabstände ist es jedoch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nicht zu beanstanden, wenn Gefahren durch das Abschleppen solcher Fahrzeuge beseitigt werden, die einen Radweg mehr als nur unwesentlich einengen (im Fall: für den Radverkehr verblieb nur noch etwa 2/3 der Gesamtbreite des für Gegenverkehr ausgebauten Radwegs). Hierbei ist auch dessen jeweilige Verkehrsbedeutung in den Blick zu nehmen.

2. Die Behörde darf sich ergänzend von spezial- und generalpräventiven Gesichtspunkten leiten lassen, wenn sie eine Situation vorfindet, in der zahlreiche Fahrzeuge behindernd auf dem Radweg abgestellt sind. Einer effektiven Gefahrenabwehr dient es, die Verkehrsverstöße nicht lediglich durch Bußgeld zu ahnden, sondern gegen die Missstände auch durch ein konsequentes Abschleppen vorzugehen (vgl. auch BVerwG, zfs 2002, 503).

(Leitsätze der Schriftleitung)

OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 15.4.2011 – 5 A 954/10

1 Aus den Gründen:

„ … Die strittige Abschleppmaßnahme ist rechtlich nicht zu beanstanden. Zur Begründung nimmt der Senat entsprechend § 122 Abs. 2 S. 3 VwGO Bezug auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Urt.

Der Einwand des Kl. greift nicht durch, das Abschleppen seines Fahrzeugs sei unverhältnismäßig gewesen. Zutreffend hat das VG seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass ein Abschleppen verbotswidrig abgestellter Fahrzeuge im Fall der Behinderung von anderen Verkehrsteilnehmern regelmäßig geboten ist. Eine derartige Behinderung kann etwa bei einem Hineinragen des Fahrzeugs in die Fahrbahn gegeben sein (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.2.2002 – 3 B 149.01 –, [ zfs 2002, 503 =] NJW 2002, 2122; Urt. v. 14.5.1992 – 3 C 3.90 –, [zfs 1993, 72 =] BVerwGE 90, 189).

Entsprechendes gilt im Fall eines nicht nur unerheblichen Hineinragens eines Fahrzeugs in einen Radweg. Radfahrer müssen grds. nicht damit rechnen, dass der Radweg auch nur teilweise blockiert ist (vgl. VG Berlin, Urt. v. 18.5.1999 – 9 A 40/99 –, DAR 2000, 182).

Dies gilt umso mehr, wenn – wie hier – in beiden Fahrtrichtungen durch Zeichen 241 (Getrennter Rad- und Fußweg) in Verbindung mit § 2 Abs. 4 S. 2 StVO eine Benutzungspflicht angeordnet worden ist. Die Radwegebenutzungspflicht wird gem. § 45 Abs. 9 S. 2 StVO zum Schutz von Radfahrern vor besonderen örtlichen Gefahrenlagen im Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs angeordnet (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.11.2010 – 3 C 42.09 – [zfs 2011, 234], juris, Rn 25).

Dem entspricht es, dass die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur StVO in der Fassung vom 17.7.2009 – VwV-StVO – besondere Vorkehrungen formuliert, um die Sicherheit der Radwegbenutzung bei einer bestehenden Benutzungspflicht sicherzustellen. Nach II.2. VwV-StVO zu § 2 Abs. 4 S. 2 muss die Benutzung des Radwegs nach der Beschaffenheit und dem Zustand zumutbar sowie die Linienführung eindeutig, stetig und sicher sein. Hierzu gehört ausdrücklich eine ausreichende Breite, Befestigung und Freiheit von Hindernissen. Für Radwege, die auch für die Gegenrichtung freigegeben sind, wird eine lichte Breite von durchgehend in der Regel 2,40 m, mindestens 2,0 m verlangt (vgl. II.5. VwV-StVO zu § 2 Abs. 4 S. 3 und 4).

Zwar ist ein Abschleppen parkender Fahrzeuge nicht schon gerechtfertigt bei jedem minimalen Hineinragen in einen Radweg, dessen Benutzung vorgeschrieben ist. Mit Blick auf höhere Geschwindigkeiten gegenüber dem Fußgängerverkehr und erforderliche Sicherheitsabstände ist es jedoch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nicht zu beanstanden, wenn Gefahren durch das Abschleppen solcher Fahrzeuge beseitigt werden, die einen Radweg mehr als nur unwesentlich einengen. Hierbei ist auch dessen jeweilige Verkehrsbedeutung in den Blick zu nehmen.

Eine mehr als nur unwesentliche Einengung des Radwegs lag hier unter Einbeziehung aller maßgeblichen Gesichtspunkte vor. Insb. trifft es nicht zu, dass das Fahrzeug des Kl. mit der rechten Fahrzeugseite lediglich etwa 20 bis 50 cm auf dem in Rede stehenden Radweg stand. Die vom Ordnungsdienst der Bekl. gefertigten Lichtbilder lassen anhand der Farbe und Anordnung der Pflastersteine zweifelsfrei erkennen, dass die Vorderseite des Fahrzeugs mehr als zur Hälfte auf dem Radweg stand (vgl. Blatt 4 des Verwaltungsvorgangs). Für den Radverkehr verblieb nur noch etwa 2/3 der Gesamtbreite des für Gegenverkehr ausgebauten Radwegs. Damit stellte sich das Fahrzeug jedenfalls für den Radverkehr in Gegenrichtung als deutliches Hindernis dar und begründete damit eine konkrete Gefährdung.

Hinzu trat hier eine gesteigerte Verkehrsbedeutung des Radwegs. Ein besonderes Bedürfnis für seine ungehinderte Benutzung ergab sich angesichts der für beide Fahrtrichtungen angeordneten Benutzungspflicht jedenfalls im Zusammenhang mit der Großveranstaltung … , ...

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