StPO § 261 § 267

1. Geschwindigkeitsmessung unter Beteiligung eines Privatunternehmens ist rechtswidrig. So gewonnene Beweisfotos sind nicht verwertbar.

2. Darüber hinaus ist es auch nicht zulässig, Private an der Abwicklung von Verfahren nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz zu beteiligen. Die Verfolgungsbehörde hat vielmehr sämtliche Verfahrensschritte – dazu gehört insbesondere auch die Anlegung von Akten sowie die erforderliche Erfassung von Daten – selbst durchzuführen.

(Leitsätze der Schriftleitung)

AG Bruchsal, Beschl. v. 12.3.2010 – 5 OWi 410 Js 13889/08 AK 320/08

Auf den Einspruch des Betroffenen gegen einen Bußgeldbescheid wegen einer am 16.11.2007 begangenen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit stellt das AG das Verfahren ein, nachdem die Ordnungswidrigkeit gem. § 33 Abs. 3 S. 2 OWiG zwischenzeitlich verjährt ist.

Aus den Gründen:

“… Zum Grund der eingetretenen Verjährung und zur Messung selbst sieht sich das Gericht veranlasst, Folgendes anzumerken:

Nach der Anhörung des Betroffenen am 3.12.2007 erging am 19.2.2008 ein Bußgeldbescheid, der mit Einspruch vom 28.2.2008 angegriffen wurde. Am 30.4.2008 wurde Hauptverhandlungstermin auf den 17.7.2008 anberaumt, in dessen Verlauf die Messbeamtin des Landratsamtes als Zeugin vernommen wurde.

Die Vernehmung der Zeugin R hat ergeben, dass diese nicht alleine, sondern mit einem Mitarbeiter eines Privatunternehmens, nämlich einer ‘Firma D GmbH’ die Messung durchgeführt hat. Die Zeugin musste einräumen, dass, obwohl sowohl der von vorne wie auch von hinten kommende Verkehr gemessen wurde, die Messanlage auf ‘Automatikbetrieb’ eingestellt war. Auf Vorhalt des Verteidigers, dass nach seiner Kenntnis dies nach der Bedienungsanleitung des verwendeten Messgerätes nicht zulässig sei, da bei einer Messung durch nur einen Beamten entweder die Front- oder die Heckanlage auf Manuellbetrieb zu schalten sei, wurde deutlich, dass der Zeugin diese Problematik nicht bekannt war.

Auf einen Beweisermittlungsantrag des Verteidigers wurde die Hauptverhandlung vertagt und bei der Behörde die Bedienungsanleitung für das Messgerät angefordert.

Am 30.7.2008 übersandte das Landratsamt eine DIN A4-Seite mit laienhaft selbst gefertigten ‘Checklisten’ zur Einstellung von drei völlig verschiedenen Geschwindigkeitsmessgeräten. Diese ‘Checklisten’ – auf AS 99 wird verwiesen – sind weit davon entfernt, auch nur annähernd als Bedienungsanleitung bezeichnet werden zu können.

Mit Verfügung vom 8.8.2008 wies das erkennende Gericht das Landratsamt darauf hin, dass es nicht wirklich vorstellbar ist, dass es für das Verkehrsradarmessgerät ‘speedophot’ keine umfassendere Bedienungsanleitung als die übersandte Checkliste gibt und bat nochmals um Übersendung einer Kopie der vollständigen Gebrauchs- oder Bedienungsanleitung des verfahrensgegenständlichen Messgerätes, an die Übersendung musste am 9.9.2008 erinnert werden.

Am 17.9.2008 teilte die Behörde telefonisch mit, die Bedienungsanleitung sei ein recht umfangreiches Werk, es sei sachgerecht, wenn die Zeugin R diese zum neuen Hauptverhandlungstermin mitbringe, worauf noch am selben Tag ein neuer Hauptverhandlungstermin auf den 11.12.2008 anberaumt wurde.

Zu diesem Termin brachte die Zeugin R dann Kopien der vom Verteidiger gewünschten Bedienungsanleitung mit, ebenso legte sie Zertifikate vor, aus denen sich ergibt, dass sie von genau dem Unternehmen ausgebildet wurde, das für das Landratsamt die Geschwindigkeitsmessungen durchführt.

Daraufhin vermutete der Verteidiger nachvollziehbar, dass die verfahrensgegenständliche Messung unter Beteiligung eines Privatunternehmens letztlich keine behördliche Messung des Landratsamtes mehr, sondern eine private Messung unter Beteiligung eines ‘Alibi’-Beamten sei und hat beantragt, den der Beteiligung des Privatunternehmens zugrunde liegenden Vertrag mit dem Landratsamt über Durchführung und Vergütung der Messung beizuziehen.

Mit Verfügung vom 2.4.2009 wurde das Landratsamt daher um Vorlage des gesamten Vertrages mit dem Vermieter des Messfahrzeuges einschließlich der Vergütungsregelung gebeten. Nachdem am 7.5.2009 hieran erinnert werden musste, teilte das Landratsamt am 19.6.2009 telefonisch mit, das Ersuchen müsse über den Amtsleiter erledigt werden.

Nachdem wiederum ein Monat ohne Reaktion verstrichen war, hat das Gericht mit Verfügung vom 23.7.2009 erneut Hauptverhandlungstermin, nunmehr auf den 1.10.2009, bestimmt und unter Hinweis auf § 95 StPO an die Herausgabepflicht der Behörde erinnert.

Mit Schreiben vom 10.8.2009 teilte das Landratsamt mit, dass die angeforderten Unterlagen Betriebsgeheimnisse enthielten, die Prüfung bedürfe weitere sechs Wochen.

Nachdem auch innerhalb der gewährten Prüfungsfrist die angeforderten Unterlagen nicht vorgelegt wurden, hat das erkennende Gericht mit Verfügung vom 23.9.2009 angekündigt, am 1.10.2009 um 13.30 Uhr abschließend über dieses Verfahren zu entscheiden und angekündigt, das Verfahren auf Grund eines Verfahrenshindernisses einzustellen. Dem Landratsamt wurde Gelegenhei...

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