In seinem Beschl. v. 22.1.2008[1] hatte der VIII. ZS des BGH die Auffassung vertreten, die Verfahrensgebühr entstehe wegen der in Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG vorgesehenen Anrechnung eines Teils der bereits vorher entstandenen Geschäftsgebühr von vornherein nur in gekürzter Höhe. Folglich sei diese Gebührenanrechnung im Kostenfestsetzungsverfahren unabhängig davon zu berücksichtigen, ob der Rechtsanwalt die Geschäftsgebühr dem Auftraggeber überhaupt berechnet hat, ob dieser die Gebühr seinem Anwalt gezahlt hat oder ob ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch gegen die Gegenpartei besteht. Sämtliche der mit dem Problem der Anrechnung der Geschäftsgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren befassten Senate des BGH haben sich der Entscheidung des VIII. ZS des BGH meist ohne eigene Argumentation angeschlossen. Auch die überwiegende Anzahl der OLG ist dieser Auffassung gefolgt. Diese Rechtsprechung hat zu so manchen skurrilen Folgeentscheidungen geführt. So hat beispielsweise das OLG Hamburg[2] die Auffassung vertreten, die Gebührenanrechnung sei auch dann vorzunehmen, wenn verschiedene Rechtsanwälte tätig waren. Das OLG Koblenz[3] hat dem Rechtsanwalt der erstattungsberechtigten Partei sogar vorgehalten, dieser habe seinem Auftraggeber eine zu niedrige Geschäftsgebühr berechnet, was zu einem geringeren Anrechnungsbetrag geführt habe. Folglich müsse der Rechtspfleger im Kostenfestsetzungsverfahren eine höhere Geschäftsgebühr bestimmen. Die ganz überwiegende Auffassung in der Rechtsprechung hat die Anrechnung der Geschäftsgebühr auch auf die dem PKH-Anwalt aus der Staatskasse zu zahlenden Verfahrensgebühr vorgenommen, selbst wenn der Anwalt die Geschäftsgebühr seinem bedürftigen Auftraggeber nicht in Rechnung gestellt und auch nicht von diesem gezahlt bekommen hat.

Diesem Spuk hat der Gesetzgeber nun ein Ende bereitet. Der Deutsche Bundestag hat am 22.4.2009 das Gesetz zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften verabschiedet.[4] Den hiergegen vom Bundesrat erhobenen Einspruch hat der Bundestag mit ganz überwiegender Mehrheit in seiner Sitzung vom 17.6.2009 zurückgewiesen.[5] In Art. 7 Abs. 4 Nr. 3 und 6 dieses Gesetzes hat der Gesetzgeber in dem neu eingefügten § 15a RVG die Gebührenanrechnung erstmals geregelt und § 55 Abs. 5 Satz 2 RVG neu gefasst. Diese Vorschriften haben folgenden Wortlaut:

(1)Sieht dieses Gesetz die Anrechnung einer Gebühr auf eine andere Gebühr vor, kann der Rechtsanwalt beide Gebühren fordern, jedoch nicht mehr als den um den Anrechnungsbetrag verminderten Gesamtbetrag der beiden Gebühren.

(2)Ein Dritter kann sich auf die Anrechnung nur berufen, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat, wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden.“

§ 55 Abs. 5 Satz 2 wird durch folgende Sätze ersetzt:

Das Gesetz ist im BGBl am 4.8.2009 veröffentlicht worden[6], so dass die vorgenannten RVG-Regelungen gem. Art. 10 Satz 2 des Gesetzes am 5.8.2009 in Kraft getreten sind.

§ 15a Anrechnung einer Gebühr

Der Antrag hat die Erklärung zu enthalten, ob und welche Zahlungen der Rechtsanwalt bis zum Tag der Antragstellung erhalten hat. Bei Zahlungen auf eine anzurechnende Gebühr sind diese Zahlungen, der Satz oder der Betrag der Gebühr und bei Wertgebühren auch der zugrunde gelegte Wert anzugeben. Zahlungen, die der Rechtsanwalt nach der Antragstellung erhalten hat, hat er unverzüglich anzuzeigen.

[1] AnwBl. 2008, 378 = zfs 2008, 288 mit Anm. Hansens.
[2] AGS 2008, 259 = RVGreport 2008, 392 (Hansens).
[3] RVGreport 2009, 229 (Hansens).
[4] Siehe BT-Drucks 16/11385 und 16/12717 und BR-Drucks 377/09.
[5] Siehe BT-Drucks 16/13390.
[6] BGBl 2009 Nr. 50 S. 2449 ff.

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