StVG § 25 Abs. 1 S. 1 i.V.m. BKatV § 4 Abs. 2 S. 2; StPO § 473 i.V.m. OWiG § 46 Abs. 1

Leitsatz

1. Die Anordnung eines Fahrverbots wegen eines beharrlichen Pflichtenverstoßes außerhalb eines Regelfalls ist wegen der Vorahndungslage des Betroffenen angezeigt, wenn die (neuerliche) Geschwindigkeitsüberschreitung zwar die Voraussetzungen des Regelfalls nicht erfüllt, der Verkehrsverstoß jedoch wertungsmäßig dem Regelfall eines beharrlichen Pflichtenverstoßes i.S.v. § 25 Abs. 1 S. 1 StVG i.V.m. § 4 Abs. 2 S. 2 BKatV gleichzusetzen ist.

2. Wenn wegen der Wechselwirkung von Fahrverbot und Geldbuße eine Beschränkung der Rechtsbeschwerde nur auf die Frage der Fahrverbotsanordnung aus Rechtsgründen nicht in Betracht kommt und der Betroffene sein mit der zulässigen Rechtsmittelbeschränkung erklärtes alleiniges Rechtsschutzziel, nämlich den Wegfall des Fahrverbots, erreicht, erweist sich die Rechtsbeschwerde als in vollem Umfang erfolgreich, so dass der Staatskasse die Kosten und notwendigen Auslagen des Betroffenen aufzuerlegen sind.

(Leitsätze der Schriftleitung)

OLG Bamberg, Beschl. v. 10.4.2008 – 3 Ss OWI 376/2008

Sachverhalt

Das AG hat den Betroffenen wegen einer als Führer eines Pkw am 19.2.2007 fahrlässig begangenen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 25 km/h zu einer Geldbuße von 100 EUR verurteilt sowie gegen ihn ein mit der Anordnung nach § 25 Abs. 2a StVG verbundenes Fahrverbot für die Dauer eines Monats verhängt.

Auf die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtsbeschwerde des Betroffenen ändert das OLG das Urteil des AG dahin, dass die Anordnung des Fahrverbots entfällt.

Aus den Gründen

“ … II. Die gem. § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 OWiG statthafte und auch sonst zulässige, insbesondere wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtsbeschwerde erweist sich als erfolgreich, weil das AG zum Nachteil des Betroffenen zu Unrecht einen wertungsmäßig dem Regelfall eines beharrlichen Pflichtenverstoßes i.S.d. §§ 24, 25 Abs. 1 S. 1 2. Alt., 26 a StVG i.V.m. § 4 Abs. 2 S. 2 BKatV gleichzusetzenden beharrlichen Pflichtenverstoß i.S.v. § 25 Abs. 1 S. 1 StVG angenommen hat.

1. Von Beharrlichkeit i.S.d. § 25 Abs. 1 S. 1 StVG ist auszugehen bei Verkehrsverstößen, die zwar objektiv (noch) nicht zu den groben Zuwiderhandlungen zählen (Erfolgsunwert), die aber durch ihre zeit- und sachnahe wiederholte Begehung erkennen lassen, dass es dem Täter subjektiv an der für die Straßenverkehrsteilnahme notwendigen rechtstreuen Gesinnung und Einsicht in zuvor begangenes Unrecht fehlt, so dass er Verkehrsvorschriften unter Missachtung einer oder mehrerer Vorwarnungen wiederholt verletzt (Handlungsunwert). Selbst eine Häufung nur leicht fahrlässiger Verstöße kann unter diesen Umständen mangelnde Rechtstreue offenbaren (BGHSt 38, 231/234 f. [= zfs 1992, 214]; BayObLGSt 2003, 132/133; st.Rspr. des Senats).

Die Anordnung eines Fahrverbots wegen eines – hier allein in Betracht kommenden und vom AG völlig richtig seiner Prüfung zugrunde gelegten – beharrlichen Pflichtenverstoßes außerhalb eines Regelfalls ist wegen der Vorahndungslage des Betroffenen angezeigt, wenn die (neuerliche) Geschwindigkeitsüberschreitung zwar die Voraussetzungen des Regelfalls nicht erfüllt, der Verkehrsverstoß jedoch wertungsmäßig dem Regelfall eines beharrlichen Pflichtenverstoßes i.S.v. § 25 Abs. 1 S. 1 StVG i.V.m. § 4 Abs. 2 S. 2 BKatV gleichzusetzen ist. Eine derartige Gleichsetzung kann – wovon wiederum das AG entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ersichtlich zutreffend ausgeht (Urteilsausfertigung S. 8/9) – im Einzelfall auf Grund der Rückfallgeschwindigkeit oder der Häufigkeit früherer Verstöße auch bei einer Unterschreitung des Grenzwertes von 26 km/h der verfahrensgegenständlichen oder aber der früheren Geschwindigkeitsverstöße geboten sein (st.Rspr. des Senats, vgl. zuletzt insbesondere Beschl. v. 4.10.2007 – 3 Ss OWi 1364/07 = NJW 2007, 3655 f. = NZV 2008, 48 f. = zfs 2007, 707 f. = VRR 2008, 36 f. sowie vom 29.3.2007 – 3 Ss OWi 422/07 = BeckRS 2007 08728 = VRR 2007, 318 f. m. Anm. Deutscher = OLGSt StVG § 25 Nr. 36, jeweils m. zahlr. weit. Nachw.).

Dem Zeitmoment kommt, wie sich § 4 Abs. 2 S. 2 BKatV entnehmen lässt, Bedeutung für das Vorliegen eines beharrlichen Pflichtenverstoßes insoweit zu, als der Zeitablauf zwischen den jeweiligen Tatzeiten (Rückfallgeschwindigkeit) und des jeweiligen Eintritts der Rechtskraft zu berücksichtigen ist. Daneben sind insbesondere Anzahl, Tatschwere und Rechtsfolgen früherer und noch verwertbarer Verkehrsverstöße im Einzelfall zu gewichten (OLG Bamberg a.a.O.).

2. Nach diesen Maßstäben kann – wie insoweit die Rechtsbeschwerde im Einklang mit der Staatsanwaltschaft bei dem Rechtsbeschwerdegericht im Ergebnis zutreffend annimmt – anhand der seitens des AG seiner Rechtsfolgenbemessung zugrunde gelegten Vorahndungen des Betroffenen nicht von einem wertungsmäßig dem Regelfall eines beharrlichen Pflichtenverstoßes i.S.v. § 25 Abs. 1 S. 1 StVG i.V.m. § 4 Abs. 2 S. 2 BKatV gleichzusetzenden Pflichtenverst...

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