Weigert sich das Gericht, den Zeugen von Amts wegen zu laden, muss die Verteidigung die Vernehmung des Polizeibeamten als Zeugen in Form eines Beweisantrags durchsetzen. Stellt sodann der Rechtsanwalt einen Beweisantrag auf Vernehmung des Messbeamten, so lehnt der Bußgeldrichter dies wiederum regelmäßig gem. § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG ab, da dies "zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich sei". Regelmäßig geht die Begründung der Ablehnung des Beweisantrags nicht über den Gesetzestext hinaus. Oftmals bedient sich das Gericht hierzu eines Formulars, welches bereits auf dem Richtertisch im Ordner liegt. Einige Richter missverstehen die Regelung des § 77 Abs. 2 OWiG als Freibrief, die richterliche Aufklärungspflicht leerlaufen lassen zu dürfen. Zu berücksichtigen ist, dass dieser Ablehnungsgrund drei Voraussetzungen hat: Es muss bereits eine Beweisaufnahme über eine entscheidungserhebliche Tatsache stattgefunden haben, aufgrund der Beweisaufnahme muss der Richter zu der Überzeugung gelangt sein, der Sachverhalt sei geklärt und die Wahrheit gefunden und die beantragte Beweiserhebung muss nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur weiteren Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich sein.[5] Dabei sind strenge Maßstäbe anzulegen; es darf für das Gericht kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass die weitere Beweiserhebung keine Aussicht auf Erfolg hat. Das Gewicht der bisherigen Beweiserhebung auf der einen und des Beweismittels, dessen zusätzliche Verwendung beantragt ist, auf der anderen Seite müssen nach dem Ergebnis der gesamten Beweislage abgewogen werden. Eine weitere Beweiserhebung darf nur unterbleiben, wenn die Möglichkeit, dass die Überzeugung des Gerichts durch sie noch erschüttert wird, vernünftigerweise ausgeschlossen erscheint. Wenn das nur unwahrscheinlich ist, muss der Beweis erhoben werden.[6] Daran wird deutlich, dass ein Beweisantrag auf Vernehmung des Messbeamten nicht wegen "Bedeutungslosigkeit" ablehnt werden darf. Amtsgerichte argumentieren dagegen, der gesonderten Vernehmung des Beamten über die niedergelegten Tatsachen bedürfe es grundsätzlich nur dann, wenn sich konkrete Anhaltspunkte ergeben, dass die Umstände der Messung unzutreffend oder lückenhaft erfasst sein könnten oder anderweitige Besonderheiten bei der Messung vorgelegen haben könnten, welche geeignet sind, ihre Aussagekraft in Frage zu stellen.[7] Für das Gericht ist nach Verlesung der oben genannten Dokumente meist alles klar und die Sache verurteilungsreif. Der Ladung des Messbeamten bedürfe es insoweit in aller Regel nicht.[8]

Im Bußgeldverfahren muss der Verteidiger seinen Beweisantrag vor der Hauptverhandlung ankündigen, da er sich ansonsten der Gefahr der Präklusion aussetzt, das Gericht kann nämlich einen Beweisantrag nach § 77 Abs. 2 Nr. 2 OWiG ablehnen, wenn nach der freien Würdigung des Gerichts das Beweismittel oder die zu beweisende Tatsache ohne verständigen Grund so spät vorgebracht wurde, dass die Beweiserhebung zur Aussetzung der Hauptverhandlung führen würde.

[5] OLG Hamm NZV 2007, 155; OLG Schleswig SchlHA 2004, 264 f.; KK-Senge, OWiG, § 77 Rn 15 m.w. Nachw.; Göhler-Seitz, OWiG, § 77 Rn 11.
[6] OLG Celle Beschl. v. 10.2.1986 – 2 Ss OWi 297/85, BeckRS 2015, 7292.
[7] OLG Koblenz Beschl. v. 22.3.2018 – 1 OWi 6 SsRs 27/18, BeckRS 2018, 42867.

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