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Wird bei dem Betrieb eines Kfz oder eines Anhängers, der dazu bestimmt ist, von einem Kfz mitgeführt zu werden, ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Halter verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen (§ 7 Abs. 1 StVG). Damit wird eine Gefährdungshaftung normiert, die an den Betrieb des Fahrzeugs anknüpft. Die weite Auslegung der Norm führt z.T. zu bemerkenswerten Ergebnissen. Im Folgenden werden drei Beispiele aus der jüngsten Rechtsprechung dargestellt.

A. Die weitgreifende Haftung nach § 7 StVG

Eine Haftung für einen eingetretenen Schaden besteht nur dann, wenn zwischen einer Handlung (Tun oder Unterlassen) und dem Schaden ein ursächlicher Zusammenhang, eine Kausalität, besteht. Um eine uferlose Ausweitung der Haftung zu vermeiden, wird die Zurechenbarkeit von Handlungsfolgen durch Kriterien der Adäquanz ergänzt, wonach Ereignisse für die Begründung einer Haftung außer Betracht bleiben, die einem völlig unwahrscheinlichen Kausalverlauf entspringen.

Für die Haftung im Straßenverkehr sieht § 7 Abs. 1 StVG allerdings eine Gefährdungshaftung vor.

Im Rahmen der reinen Gefährdungshaftung finden Zurechnungskriterien wie die Adäquanz nicht ohne Weiteres Anwendung. Die Rechtsgutsverletzung muss bei der Gefährdungshaftung vielmehr durch ein der Gefahrenquelle eigenes typisches Risiko verursacht worden sein. Mit diesem Erfordernis wird im Rahmen der Gefährdungshaftung das Kriterium der Adäquanz durch das Kriterium der spezifischen Gefahr abgelöst.[1] Bei der Halterhaftung nach § 7 StVG ergibt sich bereits aus dem Tatbestandsmerkmal "bei dem Betrieb", dass nur die aus der spezifischen Betriebsgefahr erwachsende Schädigung dem Kfz-Halter zugerechnet wird, d.h. der Unfall, der auf der Verwendung des Kfz als Verkehrsmittel beruht.[2] Die Präposition "bei" bringt damit das Erfordernis eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen Betrieb und Unfall zum Ausdruck.[3] Die Begrenzung einer ansonsten uferlosen Haftung erfolgt, indem geprüft wird, ob eine Schadensersatzpflicht noch vom Schutzbereich der Haftungsnorm erfasst wird.[4]

Allerdings ist § 7 Abs. 1 StVG nach der Rechtsprechung des BGH entsprechend dem weiten Schutzzweck der Norm weit auszulegen. Denn die Haftung nach § 7 Ab. 1 StVG ist sozusagen der Preis dafür, dass durch die Verwendung eines Kfz erlaubterweise eine Gefahrenquelle eröffnet wird; die Vorschrift will daher alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe erfassen.[5] Ein Schaden ist demgemäß bereits dann "bei dem Betrieb" eines Kfz entstanden, wenn sich in ihm die von dem Kfz ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben, d.h. wenn bei der insoweit gebotenen wertenden Betrachtung das Schadensgeschehen durch das Kfz (mit-)geprägt worden ist.

Ein Unfall muss nach der Rechtsprechung[6] in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem Betriebsvorgang stehen.[7] Es ist also nicht nötig, dass das Kfz im Moment der Schadensverursachung fährt; es reicht vielmehr ein naher örtlicher und zeitlicher Kausalzusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kfz. Dazu genügt es, dass allein ein technischer Defekt einer Betriebseinrichtung für den Schaden ursächlich geworden ist. Das gilt z.B. auch für die Selbstentzündung eines Kfz, selbst nach Abstellen des Fahrzeugs.[8] Insofern ist es für die Zurechnung ausreichend, dass der Schaden durch im Fahrzeug verbaute oder sich im Fahrzeug befindende Materialien entstanden ist.[9] Das ist der Preis dafür, dass sich der Fahrzeughalter mit der Anschaffung und Verwendung eines Kfz einen potentiell gefährlichen Gegenstand verschafft hat, von dem eine Vielzahl von Gefahren ausgeht.

[1] Fuchs, Deliktsrecht, 6. Aufl. 2005, S. 242.
[2] Greger/Zwickel, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 5. Aufl. 2014, Rn 68.
[3] Greger/Zwickel, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 5. Aufl. 2014, Rn 50.
[4] Fuchs, Deliktsrecht, 6. Aufl. 2005, S. 242.
[7] LG Köln, Urt. v. 05.10. 2017 – 2 O 372/16, juris.
[9] OLG Hamm, Urt. v. 22.03.201 – 9 U 93/17.

B. BGH v. 26.3.2019 – VI ZR 236/19: Gebäudebrand aufgrund eines Kurzschlusses an einem Fahrzeug

I. Sachverhalt

Mit einem Schadensfall, der sich nicht während der Verkehrsteilnahme eines Kfz ereignet hat, hatte sich der BGH (Urt. v. 26.3.2019 – VI ZR 236/18)[10] zu befassen. Ein Pkw wurde nach einem Unfall in eine Werkstatt geschleppt. Der Werkstattinhaber vergaß, die Batterie abzuklemmen. In der darauffolgenden Nacht kam es zu einem Kurzschluss am zum Kühlerlüfter-Motor führenden Leitungssatz im Frontbereich des Pkw, der durch die mechanische Einwirkung auf die elektrischen Leiter in Folge des Unfallgeschehens ausgelöst wurde. Der Kurzschluss führte zu einem großflächigen Brand in der Werkstatt und im benachbarten Wohnhaus des Werkstattinhabers.

Der Gebäudeversicherer des Werkstattinhabers machte Ansprüche gegen die Versicherer der am Unfall beteiligten Fahrzeuge geltend. Der BGH gab d...

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