"… 1. Der Anspruch des Kl. ergibt sich aus dem Versicherungsvertrag zwischen seiner Ehefrau und der Bekl. Die Bekl. hat Deckungsschutz zu gewähren für Schadensersatzansprüche Dritter, insb. gem. §§ 823 Abs. 2 BGB, 229 StGB, also bei einer fahrlässigen Körperverletzung. Der Kl. ist als Versicherter berechtigt, die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag gegen die Bekl. geltend zu machen; denn es ist von einer Ermächtigung des Kl. durch die Ehefrau auszugehen. Die Bekl. hat einer Geltendmachung der Ansprüche aus dem Vertrag durch den Kl. nicht widersprochen. Auf die Einzelheiten der vertraglichen Vereinbarungen zur Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Vertrag durch den Versicherten kommt es daher nicht an (…)."

2. Die Voraussetzungen für eine Leistungspflicht der Bekl. aus dem Versicherungsvertrag liegen vor. Der Kl. ist unstreitig zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen wegen einer Körperverletzung ausgesetzt. Der Versicherungsvertrag verpflichtet die Bekl. zur Leistung bei derartigen Ansprüchen Dritter.

3. Die Bekl. kann sich nicht auf einen Leistungsausschluss gem. § 103 VVG berufen. Denn dem Schaden, welchen der Kl. dem Zeugen H. R. zugefügt hat, liegt kein vorsätzliches Verhalten zugrunde. Dies ergibt sich aus der Entscheidung des AG S im Urt. v. 3.9.2015 über die Adhäsionsanträge des Zeugen R.

a) Die Entscheidung über die Adhäsionsanträge entfaltet Bindungswirkungen im Deckungsprozess gegen den VR. Dies ergibt sich aus § 406 Abs. 3 S. 1 StPO. Die Entscheidung im Adhäsionsverfahren über Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche steht nach dieser Vorschrift einer rechtskräftigen Entscheidung in einem zivilrechtlichen Haftungsprozess gleich. Das bedeutet, dass zum einen im Verhältnis zwischen dem Geschädigten und dem Schädiger die gleichen Rechtskraftwirkungen eintreten wie nach einem zivilrechtlichen Urteil (vgl. BGH, NJW 2015, 1252). Zum anderen folgt aus der gesetzlichen Regelung in § 406 Abs. 3 S. 1 StPO, dass die Entscheidung im Adhäsionsverfahren dieselben Wirkungen im nachfolgenden Deckungsprozess gegen seine Versicherung hat, die bei einer vorausgegangenen Entscheidung in einem Zivilprozess über den Schadensersatzanspruch des Geschädigten eingetreten wären.

Im Versicherungsrecht ist anerkannt, dass die rechtskräftige Entscheidung eines Haftpflichtprozesses grundsätzlich für den nachfolgenden Deckungsprozess bindend ist. Dabei kann dahinstehen, ob man diese Wirkung der Regelung in § 106 VVG entnimmt (vgl. Prölss/Lücke, VVG, 30. Aufl. 2018, § 100 VVG Rn 59, § 106 VVG Rn 5), oder ob man diese Bindungswirkung generell dem Leistungsversprechen des Haftpflichtversicherers im Wege der Auslegung entnimmt (vgl. BGH, NJW 1993, 68). In jedem Fall gilt diese Bindungswirkung wegen der Regelung in § 406 Abs. 3 S. 1 StPO auch für eine rechtskräftige Entscheidung über Schadensersatzansprüche im Adhäsionsverfahren für den nachfolgenden Deckungsprozess.

b) Allerdings gilt diese Bindungswirkung nur für diejenigen Feststellungen aus dem Haftpflichtprozess – bzw. aus dem Adhäsionsverfahren –, für welche eine sogenannte Voraussetzungsidentität vorliegt (vgl. BGH, NJW-RR 2004, 676; BGH, NJW-RR 2007, 827; Prölss/Lücke, a.a.O., § 100 VVG Rn 60, 61). Das bedeutet, dass das Gericht im Deckungsprozess zugunsten des VN (bzw. des Versicherten) insoweit an die Feststellungen im vorausgegangenen Haftpflichtprozess gebunden ist, als dieselben Feststellungen auch im Haftpflichtprozess entscheidungserheblich waren. Hingegen besteht keine Bindung im Deckungsprozess an “überschießende' Feststellungen im Haftpflichtprozess, die für die Klärung der Haftungsfrage rechtlich letztlich nicht erheblich waren. Die Voraussetzungsidentität ist vorliegend aus zwei Gründen gegeben.

aa) Für den Deckungsprozess ist grundsätzlich die schadensverursachende Pflichtverletzung maßgeblich, welche im Haftungsprozess festgestellt wurde. Der Haftpflichtversicherer kann sich im Deckungsprozess nur auf solche Ausschlusstatbestände berufen, die mit der im Haftungsprozess festgestellten Pflichtverletzung zusammenhängen. Hingegen kann sich der Haftpflichtversicherer im Deckungsprozess nicht auf solche Ausschlusstatbestände berufen, die bei einer anderen Pflichtverletzung des VN in Betracht kommen, auf welche jedoch die Entscheidung im Haftungsprozess nicht gestützt wurde (vgl. BGH, NJW 2011, 610, 611). Das bedeutet für den vorliegenden Fall: Das AG S hat die Haftung des Kl. bei der Entscheidung über die Adhäsionsanträge darauf gestützt, dass der Kl. (fahrlässig) einen Sturz des Zeugen H. R. verursacht hat, welcher zu den Verletzungen des Zeugen führte. Dies ist Gegenstand des Deckungsprozesses. Eine von der fahrlässigen Verursachung des Sturzes zu unterscheidende Pflichtverletzung des Kl. durch ein “Herumspringen' auf dem Fahrrad des Zeugen hat das AG Singen nicht festgestellt. Daher ist ein “Herumspringen' auf dem Fahrrad nicht Gegenstand des Deckungsprozesses; die Bekl. kann im Deckungsprozess den Einwand eines vorsätzlichen Verhaltens des Kl. nicht auf einen so...

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