StPO § 147

Leitsatz

Wird ein Antrag auf Beziehung der Messdatei (erst) in der Hauptverhandlung gestellt und hat sich der Tatrichter von der Richtigkeit der Geschwindigkeitsmessung durch die Beweisaufnahme überzeugt, wird durch die Ablehnung des Antrags des Betr., die Rohmessdaten beizuziehen und durch einen Sachverständigen auf etwaige Messfehler prüfen zu lassen, weder der Grundsatz des fairen Verfahrens verletzt noch die Verteidigung in einem wesentlichen Punkt i.S.d. § 338 Nr. 8 StPO beschränkt.

OLG Zweibrücken, Beschl. v. 18.1.2019 – 1 OWi 2 Ss Rs 70/18

1 Aus den Gründen:

"… In dem Bußgeldverfahren betreffend X wegen Verkehrsordnungswidrigkeit, hier: Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 80 OWiG), hat der Senat für Bußgeldsachen des Pfälzischen OLG Zweibrücken durch den Einzelrichter beschlossen:"

1. Der Antrag des Betr., die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des AG Kaiserslautern vom 23.5.2018 zuzulassen, wird als unbegründet verworfen. Der Senat kann offenlassen, ob er im Hinblick auf den Beschluss des VGH des Saarlandes vom 27.4.2018 (Lv 1/18, NZV 2018, 275 mit Anm. Krenberger) an seiner Auffassung festhält, dass durch die Ablehnung des Antrags des Betr., die Rohmessdaten beizuziehen und durch einen Sachverständigen auf etwaige Messfehler prüfen zu lassen, weder der Grundsatz des fairen Verfahrens verletzt noch die Verteidigung in einem wesentlichen Punkt im Sinne des § 338 Nr. 8 StPO beschränkt wird, wenn sich der Tatrichter von der Richtigkeit der Geschwindigkeitsmessung durch die Beweisaufnahme überzeugt hat. Der VGH hat ausdrücklich nicht den Fall entschieden, in dem vor der Hauptverhandlung kein Antrag auf Beziehung der Messdatei gestellt worden ist. Im vorliegenden Fall ist lediglich vorgetragen worden, dass ein entsprechender Antrag in der Hauptverhandlung gestellt worden ist. Wird ein solcher Antrag erstmals in der Hauptverhandlung gestellt, sieht der Senat den Tatrichter aufgrund der genannten Rechtsgrundsätze nach wie vor nicht grds. in der Pflicht, diesem Begehren nachzugehen.

2. Die Rechtsbeschwerde gilt als zurückgenommen (§ 80 Abs. 4 S. 4 OWiG).

3. Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens werden dem Betr. auferlegt (§ 46 Abs. 1 OWiG, § 473 Abs. 1 StPO). …“

2 Anmerkung:

Das OLG musste hier nicht einmal auf die Gehörsverletzung eingehen, denn es war ersichtlich kein Sachverhalt gegeben, der auf eine Gehörsverletzung abgestellt hätte. Im Übrigen ist die Behauptung, eine (falsche) Ablehnung eines Beweis(ermittlungs)antrags würde das rechtliche Gehör verletzen, ohnehin kaum Erfolg versprechend. Hinsichtlich des (möglichen) Verstoßes gegen den fair trial Grundsatz musste das OLG hier keine Grundsatzentscheidung treffen, denn die Verfahrenskonstellation erlaubte dem Tatrichter, den Antrag entsprechend abzulehnen. Hätte der Verteidiger bereits vor der Hauptverhandlung die erweiterte Akteneinsicht begehrt, hätte sich die Situation möglicherweise anders dargestellt. Dann hätte der Verteidiger aber bis zum Schluss der Begründungsfrist versuchen müssen, an die begehrten Daten und Unterlagen zu kommen und dieses Vorgehen auch formgerecht in der Verfahrensrüge dokumentieren müssen. Hieran scheitern nicht wenige Rechtsbeschwerden.

RiAG Dr. Benjamin Krenberger

zfs 7/2019, S. 412 - 413

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