Anmerkung zu BGH, Urt. v. 12.2.2019 – VI ZR 141/18

A. Einleitung

Bei der Anmietung eines Ersatzfahrzeuges nach einem Verkehrsunfall mit Eintrittspflicht eines Dritten werden dem Geschädigten in der Regel auch heute noch höhere Tarife angeboten als bei der Anmietung im Selbstzahler-Fall.[1] Diese Tarifspaltung im Mietwagenmarkt hatte dazu geführt, dass der BGH seine Rechtsprechung im Jahr 2004 grundlegend geändert hat.[2] Der erheblich über dem durch Angebot und Nachfrage bestimmten Normaltarif liegende Unfallersatztarif ist seitdem nicht mehr ohne Weiteres mit dem zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag gem. § 249 BGB gleichzusetzen.[3] Die Rechtsprechungsänderung hat zahlreiche Folgefragen aufgeworfen, die den BGH wiederholt beschäftigten.[4] Die neueste Entwicklung in diesem Zusammenhang betrifft die Frage, ob es dem Versicherer möglich ist, dem Geschädigten einen Mietwagen zu Sonderkonditionen zu vermitteln, die er mit einem Autovermieter getroffen hat. Der BGH hat mit der aktuellen Entscheidung vom 12.2.2019 die entscheidenden Fragen, die sich aus der Vermittlung einer solchen Anmietungsmöglichkeit ergeben, geklärt.[5] Der vorliegende Beitrag ordnet die Entscheidung des BGH ein und beleuchtet die sich für die Praxis ergebenden Konsequenzen.

[1] Moser zfs 2019,192, 193.
[4] Fitz, in: Himmelreich/Halm/Staab, Handbuch der Kfz-Schadensregulierung, 4. Aufl., S. 736; Schwartz zfs 2016, 549.

B. Kontext: Schadensminderungspflicht

Mit dem Urteil vom 12.2.2019 führt der BGH seine Rechtsprechung zur Ersatzfähigkeit von Mietwagenkosten fort. Die Frage, ob ein Unfallersatztarif aufgrund unfallspezifischer Kostenfaktoren erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB ist, kann danach ausnahmsweise offen bleiben, wenn feststeht, dass dem Geschädigten ein günstigerer Tarif in der konkreten Situation "ohne Weiteres" zugänglich war, so dass ihm eine kostengünstigere Anmietung unter dem Blickwinkel der ihm gem. § 254 Abs. 2 S. 1 BGB obliegenden Schadensminderungspflicht zugemutet werden konnte.[6] Bezüglich des Einwandes der Verletzung der Schadensminderungspflicht obliegt es dem Schädiger, im Prozess konkrete Umstände aufzuzeigen, aus denen sich ergibt, dass dem Geschädigten ein günstigerer Tarif "ohne Weiteres" zugänglich war. Der BGH führte in diesem Zusammenhang bereits in der Entscheidung vom 2.2.2010 in einem obiter dictum aus, dass die "ohne Weiteres" bestehende Zugänglichkeit eines günstigeren Tarifs sich auch daraus ergeben könne, dass der Haftpflichtversicherer den Geschädigten vor der Anmietung auf einen günstigeren Tarif hingewiesen habe.[7] Rechtlicher Anknüpfungspunkt der Rechtsprechung des BGH zur Mietwagenvermittlung durch den Haftpflichtversicherer des Schädigers ist dementsprechend die Schadensminderungspflicht gem. § 254 Abs. 2 S. 1 BGB.

C. Problemstellung: Ersetzungsbefugnis

Die Vereinbarung von Rahmenverträgen mit Mietwagenunternehmen durch Versicherer und der Verweis des Geschädigten auf die sich daraus ergebende Anmietungsmöglichkeit zu Großkundenkonditionen hat zum Ziel, dass die Schadensaufwendungen nicht nur auf das gegenüber dem Unfallersatztarif niedrigere Niveau des nach marktwirtschaftlichen Kriterien gebildeten "Normaltarifs", sondern auf ein nochmals niedrigeres Niveau abgesenkt werden.[8] Da die Abwicklung des Schadens insofern in entscheidender Weise durch den Versicherer in die Hand genommen wird, stellt sich die Frage nach der Vereinbarkeit dieser Vorgehensweise mit der Regelung in § 249 Abs. 2 S. 1 BGB:

Ist wegen der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Geschädigte statt der Naturalrestitution gem. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag verlangen.[9] Der BGH hat in einem aktuellen Urteil zu den Ansprüchen des Leasingnehmers auf Ersatz der fiktiven Herstellungskosten bekräftigt, dass das Recht des Geschädigten, die Herstellungskosten statt der Herstellung zu verlangen, dogmatisch als Ersetzungsbefugnis des Gläubigers (facultas alternativa) zu verstehen sei, weil nicht von vornherein mehrere Leistungen geschuldet würden, sondern der Gläubiger nur berechtigt sei, anstelle der einen geschuldeten Leistung eine andere mit der Folge zu setzen, dass fortan nur diese letztere Erfüllung sei.[10] Als Willenserklärung könne die Ersetzungsbefugnis auch konkludent durch ein Zahlungsbegehren gegenüber dem Schädiger erklärt werden.[11]

Aufgrund der sich aus § 249 Abs. 2 S. 1 BGB ergebenden Ersetzungsbefugnis hat der Geschädigte die freie Wahl der Mittel zur Schadensbehebung und darf zur Schadensbeseitigung grundsätzlich den Weg einschlagen, der aus seiner Sicht seinen Interessen am besten zu entsprechen scheint.[12] Nach der Rechtsprechung des B...

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