"… Die Klage ist jedoch unbegründet."

Dem Kl. steht der geltend gemachte Anspruch nicht zu. Zwar hat der Kl. als VN der Bekl. grds. einen Anspruch gem. § 192 Abs. 1 VVG auf Erstattung für die Kosten notwendiger Heilbehandlungen wegen Krankheit oder Unfallfolgen, somit auch hinsichtlich des streitgegenständlichen Verkehrsunfalls. Jedoch ist im vorliegenden Fall dieser Anspruch aufgrund des Vergleichsschlusses mit der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners gem. § 86 Abs. 2 S. 2 VVG ausgeschlossen.

I. Zunächst ist festzustellen, dass die noch ausstehenden Behandlungen des Kl. in den Vergleich mit der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners miteinbezogen wurden. Maßgeblich für die Bestimmung des Inhalts dieses Abfindungsvergleichs i.S.v. § 779 BGB ist dessen Auslegung nach den Maßstäben von §§ 133, 157 BGB. Bei der Würdigung des Inhalts eines Abfindungsvergleich ist von den zu §§ 133, 157 BGB entwickelten methodischen Grundlagen (Gebot der Auslegung einer empfangsbedürftigen Willenserklärung nach ihrem objektiven Erklärungswert, Gebot der beiderseits interessengerechten Auslegung) auszugehen. Diese gebieten es, bei einem Forderungsübergang auf Dritte nicht schon im Unfallzeitpunkt genau zu prüfen, ob die Ansprüche, die für einen Anspruchsübergang in Betracht kommen, mit umfasst sein sollen. Das gilt vor allem dann, wenn ein Verzicht des Geschädigten Konsequenzen für seinen eigenen Anspruch gegen den Dritten haben kann.

Hierbei ist grds. zunächst vom Wortlaut auszugehen, ist dieser nicht eindeutig, so sind die außerhalb des Erklärungsakts liegenden Begleitumstände in die Auslegung miteinzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen (…). Dies ist hier jedoch, entgegen der Ansicht des Kl., nicht angezeigt. Handelt es sich bei dem Vergleich, wie hier, um einen Prozessvergleich, so ist maßgebend für die Auslegung allein der protokollierte Inhalt des Vergleichs (Zöller/Geimer, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 794, Rn 14a). Die maßgebliche Klausel des hiesigen Abgeltungsvergleichs lautet:

Zitat

“Mit der Zahlung des in Ziffer 1. genannten Betrages sind sämtliche materiellen und immateriellen Ansprüche des Kl. gegen die Bekl. aus dem hier streitgegenständlichen Verkehrsunfall vom 3.9.2015 für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft endgültig erledigt und abgefunden. Dieser Abfindungsvergleich betrifft sämtliche Ansprüche, auch diejenigen, die hier nicht streitgegenständlich sind und nicht vorhersehbar sind.'

Mit dem hier gewählten Wortlaut ist ausdrücklich und zweifelsfrei beiderseits erklärt worden, dass mit dem Vergleichsschluss sämtliche Ansprüche, die aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall resultieren, abgegolten sein sollen, gleich ob zukünftig, streitgegenständlich oder vorhersehbar. Bei den noch ausstehenden Operationen, die wahrscheinlich auch zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses bereits vorhersehbar waren, handelt es sich gerade um solche zukünftigen Ansprüche, die als weitere Folge des Verkehrsunfalls eintreten können. Somit hat der Kl. durch den Vergleichsschluss im Rahmen des Prozesses gegen die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners auf Ersatzansprüche gegen diese auch im Hinblick auf die noch ausstehenden Situationen wirksam verzichtet.

II. Regressforderungen hinsichtlich der noch ausstehenden Operationen gegen die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners sind auch nicht bereits mit dem Eintritt des Unfalls nach § 86 Abs. 1 VVG auf die Bekl. übergegangen. Nach § 86 Abs. 1 VVG geht ein Ersatzanspruch des VN gegen einen Dritten auf den VR über, soweit der VR den Schaden ersetzt. Voraussetzung für den Übergang ist die tatsächliche Geld-, Sach- oder “Rechtsschutz'-Leistung des VR an den VN (…). Dies ist hier aber – zwischen den Parteien unstreitig – hinsichtlich noch nicht regulierter Unfallschäden nicht geschehen. Es gab hier weder eine Leistungszusage, noch sind vorläufig bereits Leistungen geflossen.

Zwar ist es ständige Rspr., dass in Bezug auf Sozialversicherungsträger Sozialleistungen nach § 116 Abs. 1 SGB X bereits im Zeitpunkt des schadensstiftenden Ereignisses übergehen (…). Jedoch kann dies, entgegen dem Vortrag des Kl., nicht auf die hiesige Situation einer privaten Krankenversicherung übertragen werden. Denn mit § 86 Abs. 1 VVG einerseits und § 116 Abs. 1 SGB X hat der Gesetzgeber bewusst Sonderregeln für den Fall des privatrechtlichen Versicherungsvertrags einerseits und den Fall des Übergangs von Sozialleistungen andererseits geschaffen, sodass kein Raum für eine Übertragung der Regelungen bzw. der Rspr. der einen Norm auf die andere besteht.

III. Weiter kann in der weiteren Leistung von insgesamt 460 EUR durch die Bekl. für Krankengymnastik und Lymphdrainage kein Anerkenntnis hinsichtlich der Erbringung künftiger weiterer Leistungen für unfallbedingte Schäden gesehen werden. Zwar kann ein solches Anerkenntnis grds. auch durch konkludentes Handeln abgegeben werden. Maßgeblich ist auch hier eine Auslegung dieses Verhaltens nach den Maßstäben der §§ 133, 157 BGB. Hierbei ...

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