BGB § 249 § 252 S. 2; SGB X § 116 Abs. 1

Macht ein Unfallversicherungsträger wegen der Zahlung eines Verletztengeldes einen nach § 116 Abs. 1 SGB X übergegangenen Schadensersatzanspruch geltend, ist der kongruente Erwerbsschaden eines selbständigen Unternehmers nach den Grundsätzen für die Ermittlung des entgangenen Gewinns zu schätzen.

BGH, Urt. v. 23.2.2010 – VI ZR 331/08

Die Klägerin verfolgt als Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung von der beklagten Haftpflichtversicherung die Erstattung von Aufwendungen, die sie für ihr Mitglied N nach einem Verkehrsunfall bei unstreitiger Haftung dem Grunde nach erbracht hat. Die Klägerin hatte neben weiteren Leistungen an die Geschädigte Verletztengeld gezahlt und auf das Verletztengeld Sozialversicherungsbeiträge abgeführt. In Höhe der durch die Satzung des Unfallversicherungsträgers bestimmten anzunehmenden Höhe des Verletztengeldes nahm die Unfallversicherungsträgerin die Beklagte auf Zahlung in Anspruch. Die Instanzgerichte haben der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Die Revision der Beklagten führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Aus den Gründen:

[7] “ … 1. Ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhender Anspruch auf Ersatz eines Schadens geht nach § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X auf den Versicherungsträger über, soweit dieser auf Grund des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat, die der Behebung eines Schadens der gleichen Art dienen und sich auf denselben Zeitraum wie der vom Schädiger zu leistende Schadensersatz beziehen. Ein Ersatzanspruch kann also nach dieser Vorschrift nur übergehen, soweit dem Geschädigten ein gesetzlicher Anspruch auf Ersatz des ihm durch die Schädigung verursachten Schadens gegen Dritte zusteht. Auch beim Forderungsübergang auf den Sozialversicherungsträger ist Gegenstand der Ersatzpflicht nur der Schaden des Verletzten. Der Sozialversicherungsträger kann den Ersatzpflichtigen nicht auf Ersatz des eigenen Schadens’ in Gestalt seiner durch den Versicherungsfall ausgelösten, vom Gesetzgeber angeordneten Leistungspflichten in Anspruch nehmen, sondern eine Erstattung seiner Aufwendungen nur insoweit verlangen, als sie auf einen Schaden des Versicherten zu erbringen sind.

[8] 2. Im Streitfall ist das Berufungsgericht zwar ohne Rechtsfehler und insoweit von der Revision nicht angegriffen davon ausgegangen, dass die Leistungspflicht des Sozialversicherungsträgers hinsichtlich Verletztengeld und -rente zeitlich und sachlich kongruent zum Schadensersatzanspruch der Geschädigten wegen ihres Erwerbsschadens (§§ 842, 843 BGB, § 11 StVG) ist und dies nach § 116 Abs. 1 S. 2 SGB X auch für die abzuführenden Sozialversicherungsbeiträge gilt (vgl. Senat BGHZ 109, 291, 293 ff. = VersR 1990, 220; 153, 113, 120 ff. = VersR 2003, 390, 392; vom 2.12.2008 – VI ZR 312/07 – VersR 2009, 230 Rn 11).

[9] 3. Die Revision beanstandet aber zu Recht, dass das Berufungsgericht gemeint hat, die Klägerin habe nicht einen konkreten Erwerbsschaden der Geschädigten darzulegen. Das Berufungsgericht hat insoweit nicht beachtet, dass für den nach § 116 Abs. 1 SGB X übergehenden Schadensersatzanspruch nicht die Aufwendungen der Klägerin, sondern der Erwerbsschaden ihres Mitglieds N maßgeblich ist, und das gezahlte Verletztengeld trotz der Kongruenz zu dem entstandenen Erwerbsschaden nicht mit diesem gleichzusetzen ist.

[10] a) Das Verletztengeld wird nach § 45 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII u.a. erbracht, wenn Versicherte infolge des Versicherungsfalls arbeitsunfähig sind. Die Höhe des Verletztengeldes richtet sich bei Arbeitnehmern und bei Unternehmern mit Arbeitseinkommen gem. § 47 Abs. 1 SGB VII grundsätzlich nach deren Regelentgelt. Besondere Regelungen gelten u.a. für Versicherte, die – wie die Geschädigte – den Versicherungsfall infolge einer Tätigkeit als Unternehmer erlitten haben. Sie erhalten nach § 47 Abs. 5 SGB VII ‘abweichend von Absatz 1’ Verletztengeld je Kalendertag in Höhe des 450. Teils des Jahresarbeitsverdienstes; ist es für einen ganzen Kalendermonat zu zahlen, ist dieser mit 30 Tagen anzusetzen. U.a. für kraft Gesetzes versicherte selbstständig Tätige und für kraft Satzung versicherte Unternehmer hat die Satzung des Unfallversicherungsträgers die Höhe des Jahresarbeitsverdienstes zu bestimmen (§ 83 S. 1 SGB VII). Diese Regelung soll die bei Selbständigen regelmäßig schwierige Ermittlung des tatsächlichen jährlichen Arbeitsverdienstes erübrigen, indem durch Satzungsregelung, bei deren Abfassung dem Unfallversicherungsträger wie auch sonst in diesem Bereich ein weiter Gestaltungsspielraum zusteht, ein bestimmter Betrag als Bemessungsgrundlage für die Zahlung von Verletztengeld festgesetzt wird – im Streitfall gem. § 42 Abs. 1 der Satzung der Klägerin ein Jahreseinkommen von 20.000 EUR (vgl. BSG vom 19.12.2000 – B 2 U 36/99 R – SozR 3-2700 § 83 Nr. 1 S. 3; vom 13.12.2005 – B 2 U 25/04 R – SozR 4-2700 § 47 Nr. 2 Rn 16).

[11] b) Nach dieser gesetzlichen Konstruktion ist bei einem Unternehmer der für das Verletztengeld anzusetzende Jahresarbeitsverdien...

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