VVG § 6 Abs. 3 a.F. = § 28 Abs. 1, 2 VVG; AKB § 7 Abs. 1

Verlässt sich ein Versicherungsnehmer bei Unterzeichnung einer Schadenanzeige auf unzutreffende Informationen zur Laufleistung des angeblich entwendeten Kraftfahrzeugs durch dessen gelegentliche Benutzerin, so ist ihre Weiterleitung an den Versicherer ihm nicht zuzurechnen.

OLG Brandenburg, Urt. v. 6.1.2010 – 4 U 66/06

Der Kläger nimmt die beklagte Versicherung auf Zahlung der Versicherungsleistung in Höhe von 40.000 EUR aus einer Kaskoversicherung mit der Behauptung in Anspruch, das versicherte Fahrzeug sei am 7.11.2004 aus der zur Wohnung seiner Lebensgefährtin gehörenden Garage in R von Unbekannten widerrechtlich entwendet worden.

Die vormalige Klägerin hatte das Fahrzeug Ende 2002 bei einer Lotterie gewonnen und ließ es mit Extras ausstatten. Unter Angabe eines Kilometerstandes von 20.000 km schloss sie eine Fahrzeugteilversicherung mit einer Selbstbeteiligung i.H.v. 150 EUR ab. Nach ihren eigenen Angaben fuhr sie nie selbst mit dem Fahrzeug, weil sie mit dem großen Wagen nicht zurecht kam; sie überließ das Fahrzeug dem Kläger, der am 2.8.2002 die eidesstattliche Versicherung abgegeben hatte, und dessen Lebensgefährtin U E, die es überwiegend alleine nutzte.

Die ehemalige Klägerin gab in dem ihr übersandten Fragebogen zu der Schadensanzeige die gelaufenen Kilometer mit ‘˜23000’ an und teilte auf einem beigefügten, von ihr unterzeichneten Blatt mit, dass "wir das Auto mal im Frühjahr im Internet" annonciert hätten. Auf Nachfrage änderte sie diese Angabe dahin, dass sie ihren K P annonciert habe und in diesem Zusammenhang festgestellt worden sei, dass der Audi ebenfalls – aber nicht von ihr – im Internethandel angeboten worden sei.

Aus den Gründen:

“Dem nunmehrigen Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Versicherungsleistung wegen Entwendung des A Cabriolet gem. § 12 Abs. 1 I b) AKB i.V.m. dem Versicherungsvertrag vom 23.4.2004 und § 1922 Abs. 1 BGB nicht zu.

1. Der Senat hält allerdings an seiner im Verhandlungstermin vom 10.12.2008 geäußerten Auffassung fest, dass die Beklagte nicht bereits wegen Falschangaben in der Schadensanzeige zur Laufleistung des Kfz durch die Versicherungsnehmerin – die ursprüngliche Klägerin – gem. den §§ 7 I Abs. 2 S. 3, V Abs. 4 AKB, 6 Abs. 3 S. 1 VVG a.F. frei geworden ist.

a) Die Versicherungsnehmerin wurde in der Schadensanzeige ausdrücklich und zutreffend über die Folgen einer möglichen Obliegenheitsverletzung durch bewusst unwahre oder unvollständige Angaben belehrt. Die Entscheidungen des BGH zum Inhalt einer Belehrung, die ‘klar und unmissverständlich’ (so schon BGH, VersR 1973, 174) und ‘inhaltlich zutreffend’ (BGH, VersR 1998, 447 f. …) erfolgen muss, sind von der Beklagten beachtet worden.

b) Der Senat geht auch davon aus, dass sie in der an die Beklagte versandten Schadensanzeige vom 15.11.2004 objektiv falsche Angaben zur Laufleistung des Pkw gemacht hat, denn die darin angegebene tatsächliche Kilometerleistung des A von etwa 23.000 km am Schadenstag (7.11.2004) lässt sich mit der Angabe der Laufleistung des Fahrzeugs von 20.000 km zum Zeitpunkt des Antrags auf Abschluss der Vollkaskoversicherung am 26.3.2004 – deren Richtigkeit die Klagepartei nicht in Abrede gestellt hat – nicht in Einklang bringen. (wird ausgeführt)

c) Grundsätzlich führen falsche Angaben des Versicherungsnehmers gegenüber dem Versicherer gem. den o.g. Vorschriften zur Leistungsfreiheit des Versicherers. Entsprechend der gesetzlichen Vermutung in § 6 Abs. 3 VVG ist davon auszugehen, dass die Falschangabe vorsätzlich erfolgte. Die Klägerin müsste dann die Vorsatzvermutung widerlegen (vgl. BGH VersR 2004, 1117 f.).

aa) Die bei einer folgenlos gebliebenen Obliegenheitsverletzung nach der sog. Relevanzrechtsprechung erforderlichen weiteren Voraussetzungen für den Eintritt der Leistungsfreiheit sind gegeben …

bb) Der Beklagten wäre das Berufen auf die Leistungsfreiheit wegen Falschangaben auch nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt. Dies wäre etwa dann der Fall, wenn sie dem Versicherungsnehmer die für sie offenkundige Unrichtigkeit der Laufleistungsangabe nicht vorgehalten und nicht auf diese Weise auf eine sachgerechte Klärung der Formularfrage hingewirkt hat.

Ein Versicherungsverhältnis steht in besonderem Maße unter dem Schutz des Grundsatzes von Treu und Glauben, der für den Versicherer gegebenenfalls auch Hinweis- und Fürsorgepflichten beinhalten kann. Dies gilt auch für die Schadensaufnahme und die ergänzende Befragung des Versicherungsnehmers. Auch hierbei darf der Versicherer nicht einseitig seine Interessen in den Vordergrund rücken, sondern hat auch die berechtigten Belange seines Versicherungsnehmers zu wahren. Deshalb kann er sich nicht ohne weiteres auf Leistungsfreiheit nach § 6 Abs. 3 VVG berufen, wenn sich bereits aus dem ausgefüllten Schadenanzeigeformular ergibt, dass die darin vermerkten Angaben widersprüchlich oder sonst wie unklar sind (BGH VersR 1980, 159, 160 und r+s 1997, 84: Unklarheiten im Schadenanzeigeformular m...

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