RVG § 14 Abs. 1 und 2

Leitsatz

1. Bei der Bestimmung von Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko als eines von mehreren Bemessenskriterien zu berücksichtigen. Hieraus ergibt sich jedoch keine eigenständige Gebühr im Sinne einer Haftungsgebühr.

2. Im Rechtsstreit zwischen dem Vergütungsschuldner und dem Erstattungspflichtigen ist ein Gutachten des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer über die Angemessenheit von Rahmengebühren nicht einzuholen.

(Leitsätze des Bearbeiters)

BSG, Urt. v. 27.1.2009 – B 7/7a AL 20/07 R

Sachverhalt

Wegen  eines angeblichen Meldeversäumnisses des Klägers hatte die beklagte Behörde dessen Anspruch auf Arbeitslosengeld für sieben Tage um insgesamt 108,36 EUR gemindert. Hiergegen legte der Kläger durch seine Rechtsanwälte  Widerspruch ein. Hierauf  hob die Beklagte ihren  Bescheid wieder auf. Nunmehr verlangte der Kläger von der Beklagten die Erstattung folgender Anwaltskosten:

 
1. Geschäftsgebühr, Nr. 2500 VV RVG a.F. 240,00 EUR
2. Gebühr Zuschlag Haftungsrisiko, § 14 Abs. 1 Satz 3 RVG 50,00 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
4. 16 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG + 49,60 EUR
Summe: 359,60 EUR.

Die Beklagte erstattete dem Kläger Gebühren und Auslagen Höhe eines Betrages von 301,60 EUR. Den  Gebührenbetrag für das Haftungsrisiko nebst anteiliger Umsatzsteuer zahlte sie nicht. Der Widerspruch des Klägers hiergegen, seine Klage vor dem SG Duisburg und seine Berufung vor dem LSG NRW hatten keinen Erfolg. Das BSG hat die zugelassene Revision des Klägers zurückgewiesen.

Aus den Gründen

Aus den Gründen: [10] „… Einen Anspruch auf Erstattung weiterer notwendiger Aufwendungen wegen des erfolgreichen Widerspruchs (§ 63 SGB X) besitzt der Kläger nicht.

[11] Insbesondere kann er keine 58 EUR unter dem Gesichtspunkt einer zusätzlichen eigenständigen Gebühr “Haftungsrisiko’ seines Prozessbevollmächtigten nach dem RVG verlangen. Zwar ist das ab 1.7.2004 geltende RVG vorliegend anwendbar (vgl. § 61 Abs. 1 S. 1 RVG); jedoch steht den Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen diesen bereits deshalb keine selbständige Gebühr zu, weil die geforderte Gebühr für das Haftungsrisiko nicht in dem als Anlage 1 dem RVG beigefügten Vergütungsverzeichnis (VV) aufgeführt ist. Dies wäre jedoch nach der Systematik des RVG erforderlich gewesen (vgl. § 2 Abs 2 RVG).

[12] Entgegen der Ansicht des Klägers ergibt sich eine eigenständige Gebühr insbesondere nicht aus dem hier anwendbaren (vgl. dazu später) § 14 Abs. 1 RVG. Danach bestimmt der Rechtsanwalt bei Rahmengebühren die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen (S. 1). Ein besonderes Haftungsrisiko des Rechtsanwalts kann bei der Bemessung herangezogen werden (S. 2). Bei Rahmengebühren, die sich nicht nach dem Gegenstandswert richten, ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (S. 3).

[13] Nach Systematik und Struktur dieser Norm enthält § 14 Abs 1 S. 3 RVG keinen eigenen Gebührentatbestand im Sinne einer Haftungsgebühr; das Haftungsrisiko ist vielmehr lediglich ein Kriterium für die Bemessung der Rahmengebühren (vgl. auch Hartmann, Kostengesetze, 36. Aufl. 2008, § 14 RVG Rn 13; Rick, in: Schneider/Wolff, AnwK RVG, 4. Aufl. 2008, § 14 Rn 45; Mayer/Kroiß-Winkler, RVG, 2. Aufl. 2006, § 14 Rn 26 ff.; Hartung/Römermann, RVG, 1. Aufl. 2004, § 14 Rn 47; Bischof-Jungbauer, RVG, 2. Aufl. 2007, § 14 Rn 62 und 66). § 14 Abs. 1 RVG normiert mithin ausschließlich, wie der im VV zum RVG enthaltene Vergütungsrahmen zu konkretisieren ist. Insoweit enthält S. 1 eine beispielhafte Aufzählung der die Vergütungshöhe bestimmenden Faktoren. Da das RVG bei Rahmengebühren zwischen Betragsrahmengebühren und Gegenstandsrahmengebühren unterscheidet, im Gegenstandswert jedoch das allgemeine Haftungsrisiko automatisch seinen Niederschlag findet, kann nach S. 2 nur ein besonderes Haftungsrisiko berücksichtigt werden. Demgegenüber ist nach S. 3 bei Betragsrahmengebühren (wie vorliegend, dazu später) das Haftungsrisiko zwingend bei der Konkretisierung der Rahmengebühr zu beachten. S. 3 ergänzt mithin für die Betragsrahmengebühr die allgemeine Regelung des S. 1.

[14] Insoweit hat sich keine Änderung ergeben gegenüber der Rechtslage der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO). Bereits danach konnte das Haftungsrisiko im Rahmen der Gebührenbestimmung nach § 12 BRAGO (“Berücksichtigung aller Umstände’) in die Gebührenbemessung einbezogen werden (vgl.: Hartung/Römermann, a.a.O., § 14 Rn 51; Mayer/Kroiß-Winkler, a.a.O., § 14 Rn 26; vgl. auch BT-Drucks 15/1971, 189).

[15] Die vom Kläger geltend gemachten 58 EUR sind auch nicht als höhere Rahmengebühr nach § 14 Abs 1 RVG i.V.m. dem VV zum RVG gerechtfertigt. Zwar findet § 14 RVG über § 3 Abs. 1 und 2 RVG Anwendung; nach Nr. 2500 des VV (i.d.F. des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5.5.2004 – BGBl I 718), die eine Geschäftsgebühr in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in dene...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge