Dr. Henner Hörl

Beginnt am 1. Juli 2008 mit dem Inkrafttreten des neuen Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) ein neues Zeitalter der Unfallschadenregulierung oder bleibt alles beim Alten?

Fest steht, dass Gesetzesänderungen in der Vergangenheit oft große Auswirkungen mit deutlichen Spuren im Unfallschadenmarkt hinterlassen haben. Erinnert sei nur an die seit 2002 geltende Ergänzung von § 249 BGB. Seit nur noch tatsächlich angefallene Umsatzsteuer erstattungspflichtig ist, werden unfallgeschädigte Fahrzeuge wieder verstärkt in Werkstätten repariert und nicht in Heim- und Schwarzarbeit mehr oder weniger fachgerecht instand gesetzt (Quelle: DAT-Report 2008, 36 f.).

Die folgenreichsten Veränderungen der letzten Jahre haben auf dem Schadensektor freilich keine Entscheidung des Gesetzgebers, sondern das Schadenmanagement der Versicherer bewirkt: Seit 2001 ist der Marktanteil der sonstigen Werkstätten an den Unfallreparaturen von 24 % auf 35 % gestiegen, während gleichzeitig der Marktanteil der Fabrikatwerkstätten von 69 % auf 58 % gesunken ist (DAT-Report, a.a.O.). Die Schadensteuerung greift also im großen Stil und hat zu großer Besorgnis in den Kfz-Betrieben geführt.

Über die Entwicklung der anwaltlichen Unfallschadenregulierung gibt es leider keine veröffentlichten Statistiken. Da kaum eine Anwaltstagung vergeht, ohne dass das Schadenmanagement der Versicherer beklagt wird und Maßnahmen zu seiner "Eindämmung" gefordert werden, ist aber davon auszugehen, dass in den letzten Jahren die Zahl der anwaltlich regulierten Unfallschäden insgesamt eher rückläufig ist.

In dieser Situation versprechen sich besonders Kfz-Betriebe, aber auch andere Marktbeteiligte, neue Erwerbsmöglichkeiten auf Grund des RDG, wie man den einschlägigen Publikationen des Kfz-Gewerbes, der Sachverständigen u.a. entnehmen kann. Mit neuen Geschäftsmodellen, neuen Regulierungsgesellschaften, Schadenkooperationen, Seminaren, Broschüren, neuen Internetdiensten, Formularen etc. wollen sie vom RDG profitieren und sich im Unfallschadengeschäft stärker profilieren.

Auch die Versicherer sind nicht tatenlos geblieben. Einige wollen mit neuen Regulierungsmodellen ("Regulierungsabkommen") Hersteller/Importeure und ganze Händlerorganisationen als "Schadenpartner" gewinnen, wobei den Partnerbetrieben ein "auskömmliches Reparaturaufkommen" in Aussicht gestellt wird, wenn sie die Unfallreparaturen nach vorgegebenen Abläufen durchführen. Soweit es dabei zur Verkürzung von Geschädigtenansprüchen kommt, erscheinen diese Modelle als sehr bedenklich. Von Anwälten ist in den neuen Regulierungskonzepten nicht die Rede, es sei denn in dem Sinne, dass sich bei normaler Sachlage eine "Dritthilfe erübrigen" soll.

Bleiben die Verkehrsanwälte demnach bei der Regulierung des Sachschadens in Zukunft außen vor? Werden die Anwälte das Opfer des RDG?

Die Gefahr besteht. Sie wird sich aber nur dann realisieren, wenn die Verkehrsanwälte das RDG nicht als Chance für neue Partnerschaften begreifen.

Zwar erhalten Kfz-Betriebe, Kfz-Sachverständige und andere durch das RDG weitergehende Befugnisse zur Beratung über Unfallschäden als bisher. Aber mit der Annexkompetenz von § 5 RDG hat der Gesetzgeber im Grunde nur bestehende Praktiken legalisiert.

Eine umfassende Regulierungsbefugnis für Dritte bringt das RDG den Kfz-Betrieben gerade nicht. Sie bleiben in ihrer Regulierungsbefugnis in wesentlichen Fragen beschränkt. Da helfen auch keine neuen Abtretungsformulare und Rundschreibendienste und Seminare weiter. Die Unfallschadenregulierung bleibt Rechtsdienstleistung und Dritte setzen sich auch zukünftig Abmahnungen aus, wenn sie nächstens uneingeschränkt für "Unfallschadenregulierung" werben sollten.

Die neuen Befugnisse des RDG sind für Kfz-Betriebe demnach in Wahrheit nur dann als Erweiterung ihres Geschäftsmodells interessant, wenn sie mit Verkehrsanwälten Kooperationen eingehen. Nur so können Kfz-Betriebe nämlich sicherstellen, dass ihre Kunden tatsächlich kompetent und umfassend über Unfallschadensersatz beraten werden (und vom Versicherungsschutz der Kfz-Betriebe nicht gedeckte Beratungsrisiken vermieden werden). Experten wissen es und Geschädigte erleben es täglich leidvoll, dass es den vermeintlichen "Normalunfall", der sich gleichsam von selbst reguliert, nicht gibt. Daran ändert das RDG nichts.

Mehr denn je ist der Sachverstand von Fachanwälten für Verkehrsrecht gefragt, auch und gerade von Kfz-Betrieben, die ihre neue Beratungsbefugnis umsetzen wollen. Wenn nicht alles täuscht, werden zukünftig viele Kfz-Betriebe auch Anwaltsdienstleistungen – erbracht durch kooperierende Verkehrsanwälte – anbieten, so wie heute Finanzierung, Leasing und Versicherungen. Es liegt an der Verkehrsanwaltschaft, diesen Markt zu bedienen.

Das RDG kann Kfz-Betriebe und Anwälte wieder ein Stück näher zusammen bringen.

Dr. Henner Hörl, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht, Stuttgart

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