Bei seiner Entscheidung hat der AGH Celle zwar die seinerzeit anwendbare und bis zum 17.5.2017 geltende Fassung des § 50 BRAO zugrunde gelegt. Aus der am 18.5.2017 in Kraft getretenen Neufassung ergibt sich die Zulässigkeit des Zurückbehaltungsrechts von Vollstreckungstiteln noch deutlicher. Die hierfür maßgeblichen Grundsätze sollen nachfolgend zusammengefasst dargestellt werden. Das Urteil des AGH hat über die erörterten berufsrechtlichen Erwägungen hinaus praktische Bedeutung für das Vorgehen des Rechtsanwalts bei zahlungsunwilligen Mandanten.

Grds. Herausgabepflicht des Rechtsanwalts

Der Anwaltsdienstvertrag ist ein entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag i.S.v. § 675 BGB. Somit gilt auch die Regelung des § 667 BGB, wonach der Beauftragte (also der Anwalt) verpflichtet ist, dem Auftraggeber (also dem Mandanten) alles, was er zur Ausführung des Auftrags erhält und was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt, herauszugeben. Diese zivilrechtliche Herausgabepflicht, die den Anwalt im Rahmen seiner Berufsausübung trifft, kann i.V.m. § 43 BRAO daneben auch eine Berufspflicht sein, wenn es sich um grobe Verstöße handelt, die die äußere Seite der Anwaltstätigkeit betreffen und mit einer gewissenhaften Berufsausübung und mit der Stellung des Rechtsanwalts nicht mehr vereinbar sind (BGH AnwBl. 2015, 178 = BRAK-Mitt. 2015, 39). Der BGH hatte in dieser Entscheidung darauf hingewiesen, dass auch die Verweigerung der Herausgabe der Handakten ohne rechtfertigenden Grund eine solche Berufspflichtverletzung darstellen kann, weil hierdurch in erheblichem Maße die Achtung und das Vertrauen der Rechtsuchenden in die Integrität des Berufsstandes gefährdet werde.

Voraussetzungen des anwaltlichen Zurückbehaltungsrechts

Die Regelung in § 50 Abs. 3 S. 1 BRAO gewährt dem Anwalt in bestimmten Fällen ein Zurückbehaltungsrecht, das ein Sonderrecht zugunsten des Rechtsanwalts darstellt und dem allgemeinen Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB als lex specialis vorgeht (s. BT-Drucks 18/9521, S. 67), worauf auch der AGH Celle hier hingewiesen hat. Dieses anwaltliche Zurückbehaltungsrecht erspart dem Anwalt in vielen Fällen, seine berechtigten Ansprüche auf Zahlung seiner Vergütung gegen den Mandanten gerichtlich geltend machen zu müssen. Die Regelung eines solchen Zurückbehaltungsrechts in der BRAO macht nur dann Sinn, wenn man gleichzeitig für den Normalfall von einer berufsrechtlichen Herausgabepflicht des Anwalts ausgeht (so BGH AnwBl. 2015, 178 = BRAK-Mitt. 2015, 39). Der BGH, a.a.O., hat darauf hingewiesen, dass das Zurückbehaltungsrecht als Ausnahme von einer vorausgesetzten berufsrechtlichen Verpflichtung zur Herausgabe der Handakten ausgestaltet worden ist. Dies hat der BGH auch aus der Begriffsbestimmung der Handakten in § 50 Abs. 4 BRAO a.F. (jetzt § 50 Abs. 2 S. 1 BRAO n.F.) gefolgert, weil diese Regelung ersichtlich den Zweck hat, den Umfang der berufsrechtlichen Herausgabepflicht zu konkretisieren.

Gegenstand des Zurückbehaltungsrechts

Gegenstand des anwaltlichen Zurückbehaltungsrechts sind die Dokumente, deren Herausgabe der Rechtsanwalt dem Mandanten verweigern kann. Was unter diesen Begriff fällt, regelt § 50 Abs. 2 S. 1 BRAO. Hierzu gehören nur die Schriftstücke, die der Anwalt aus Anlass seiner beruflichen Tätigkeit von dem Auftraggeber oder für ihn erhalten hat. Nicht hierzu gehören hingegen gem. § 50 Abs. 2 S. 4 BRAO die Korrespondenz zwischen Anwalt und seinem Auftraggeber und diejenigen Schriftstücke, die dieser bereits in Urschrift oder Abschrift erhalten hat, was eine entsprechende Dokumentation des Rechtsanwalts hinsichtlich der überlassenen Schriftstücke voraussetzt (Offermann-Burckart, in: Henssler/Prütting, a.a.O.,4. Aufl. 2014., § 50 BRAO Rn 69).

Eine ausdrückliche Regelung, ob auch ein von dem Rechtsanwalt für den Mandanten erstrittener Vollstreckungstitel hierzu gehört, enthält § 50 Abs. 4 BRAO nicht. Deshalb wundert es auch nicht, dass umstritten ist, ob ein Vollstreckungstitel eines Mandanten überhaupt einem Zurückbehaltungsrecht des Rechtsanwalts unterliegt. Die h.M. bejaht dies aber und begründet dies überzeugend teilweise damit, dass auch die im Wege einer Vollstreckung für den Mandanten vereinnahmten Gelder einbehalten werden dürfen und diese Rechtslage für Titel ebenfalls gelten müsse (Offermann-Burckart, in: Henssler/Prütting, a.a.O, § 50 Rn 60; Träger, in: Feuerich/Weyland, BRAO, 9. Aufl. 2016, § 50 Rn 22; Jessnitzer/Blumberg, BRAO, 9. Aufl. 2000, § 50 Rn 11; Thür. OLG zfs 2019, 464 m. Anm. Hansens = RVGreport 2019, 276 (Hansens) = AGS 2019, 546 und der AGH Celle hier).

Die Gegenauffassung verweist auf die Pflicht zur Herausgabe von Vermögenswerten des Mandanten nach § 43a BRAO i.V.m. § 4 BORA (Hartung/Scharmer, BRAO, 6. Aufl. 2016, § 50 Rn 111, Kleine-Cosack, BRAO, 7. Aufl. 2015, § 50 Rn 9 a.E.), übersieht dabei aber die Regelung in § 4 Abs. 3 BORA, wonach ein Anwalt eigene Forderungen nur insoweit nicht mit Geldern verrechnen darf, als diese zweckgebunden zur Auszahlung an andere als den Mandanten...

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