Der Berufung ist darin Recht zu geben, dass das LG die für das Abstellen des Fahrzeugs benannte Zeugin hätte vernehmen müssen. Soweit Zeugen vorhanden sind, kann die erforderliche Vernehmung nicht durch die bloße Anhörung der Partei ersetzt werden, weil sie sich insoweit gerade nicht in Beweisnot befindet. Im Übrigen sind die Berufungsangriffe aber nicht begründet:

1. Die Berufung macht geltend, der Kl. habe hinsichtlich des Haftpflichtschadens aus dem Jahr 2012/2013, nämlich der Delle auf der Fahrerseite, im Schadensformular arglistig falsch behauptet, der Schaden sei behoben worden. Das ist nicht überzeugend, weil damit die Fragen zu Ziffer 4 der Schadenanzeige und die dazu vom Kl. gemachten Angaben nicht zutreffend erfasst werden. (…)

2. Hinsichtlich des Zündschlosses teilt der Senat die Wertung des LG, das den Kl. persönlich gehört und den dabei gewonnenen glaubwürdigen Eindruck im Urteil wiedergegeben hat. Fehler oder sonstige Gründe, weshalb die getroffenen Feststellungen zweifelhaft sein könnten, vermag der Senat nicht zu erkennen. Soweit die Berufung in zweiter Instanz Feststellungsnachteile geltend macht, die durch die unterlassene Angabe im Formular entstanden sein sollen, folgt der Senat den diesbezüglichen Erwägungen nicht. Die Berufung rügt, mangels Angabe des Defekts des Zündschlosses durch den Kl. seien ihr, der Bekl., keine verlässlichen Feststellungen im Hinblick auf die Behauptung des Kl. möglich gewesen, das Fahrzeug habe sich mit einem Schraubendreher starten lassen. Die Rüge beachtet nicht hinreichend, dass für eine Überprüfung der Behauptung des Kl. eine Untersuchung des Fahrzeugs nötig wäre, das allerdings nicht zur Verfügung steht, weil es gestohlen wurde. Die Unterlassung hat also im Hinblick auf die vom Kl. bezüglich des Startens aufgestellte Behauptung die Beweissituation der Bekl. nicht verschlechtert.

3. Bezüglich des Vorwurfs der Herbeiführung des Versicherungsfalls (§ 81 VVG) rügt die Berufung, das Landgericht habe die Anforderungen an die Kausalität verkannt. Richtig ist sicherlich, dass Mitursächlichkeit ausreicht, um den Versicherungsschutz je nach Schwere des Verschuldens vorwurfs ganz oder zumindest teilweise entfallen zu lassen.

Allerdings bleibt es dabei, dass diese Mitursächlichkeit von der Bekl. nachgewiesen werden muss. Das ist ihr auch mit den Erwägungen der Berufungsbegründung nicht gelungen. Es reicht nicht aus, dass ein defektes Zündschloss, bei dem der Defekt im Wesentlichen darin besteht, dass das Fahrzeug nunmehr mit einem Schraubendreher gestartet werden kann, im Binzelfall zu einer Erleichterung des Diebstahls führen kann. Es müssen vielmehr im Einzelfall Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich dieser Defekt im konkreten Fall auch tatsächlich ausgewirkt hat.

Solche Anhaltspunkte können sich durchaus aus der Natur der Sache ergeben. So liegt der Fall aber hier nicht. Wie das Fahrzeug beim Diebstahl tatsächlich gestartet wurde, ist ungeklärt. Ob der Täter den Schaden am Zündschloss überhaupt erkannt und ihn sich zunutze gemacht hat, ist völlig offen. Erst recht lassen sich keine Feststellungen dazu treffen, ob der Diebstahlsentschluss des Täters und seine Umsetzung in irgendeiner Weise von dem Defekt des Zündschlosses abhingen. Dagegen spricht schon die einfache Überlegung, dass derjenige Täter, der erkennt, dass das Zündschloss defekt ist und sich das Fahrzeug aufgrund dieses Defektes nunmehr mit einem Schraubendreher starten lässt, über ein hinreichendes Wissen darüber verfügen dürfte, wie man ein nicht defektes Zündschloss überwinden kann.

4. Hinsichtlich des Einwands der Gefahrerhöhung rügt die Berufung, das LG habe zu Unrecht die Kenntnis des VR von dem gefahrerhöhenden Umstand, dem defekten Zündschloss, festgestellt und damit dann die Versäumung einer rechtzeitigen Kündigung begründet. Kenntnis habe die Bekl. nicht bereits mit dem Gutachten zum Vollkaskoschaden vom 13.12.2015 erlangt, sondern erst dann, als bei der Prüfung des streitgegenständlichen Diebstahls die Fahrzeughistorie habe genauer untersucht werden müssen. Vorher sei es nur auf die Gegenüberstellung von Reparaturkosten und Wiederbeschaffungswert angekommen. Erst nach dem Diebstahl habe sich eine Relevanz für den im Vorgutachten erwähnten Altschaden ergeben.

Diese Erwägungen sind nicht zutreffend. Der Senat geht davon aus, dass die Bekl. ein Gutachten liest, bevor sie reguliert. Auf Seite 4 des Vorgutachtens ist das "ausgerissene Zündschloss" ausdrücklich aufgeführt. Anders als die Berufung dem Senat jetzt nahebringen will, hatte sie auch bei der Regulierung des Kaskoschadens vom 13.12.2015 Anlass, die im Gutachten aufgeführten Vorschäden zur Kenntnis zu nehmen.

Gerade weil für die Bekl. die Ermittlung des Wiederbeschaffungswertes bei der Regulierung ein wesentlicher Punkt war und dafür etwaige Vorschäden des Fahrzeugs einen ganz entscheidenden Anknüpfungspunkt darstellen, spricht alles dafür, dass der in dem Gutachten benannte Vorschaden von der Bekl. auch tatsächlich zur Kenntnis genommen wurde. Si...

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