AVB Vermögen § 4 Nr. 5

Zur Frage einer wissentlichen Pflichtverletzung eines Rechtsanwalts bei Versäumen rechtzeitiger Unterbrechung der Verjährung eines geltend zu machenden Schadensersatzanspruchs.

OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.9.2009 – 12 U 47/09

Der Kläger macht gegen die Beklagte als Drittschuldnerin zwei gepfändete Ansprüche aus einer Haftpflichtversicherung zwischen seiner früheren Rechtsanwältin und der Beklagten geltend.

Der Kläger, ein Polizeihauptkommissar a.D., hat die in erster Instanz streitverkündete RAin im März 1996 damit beauftragt, Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche gegen das Klinikum P sowie die behandelnden Ärzte wegen ärztlicher Fehlbehandlung vom 26.4.1993 geltend zu machen. Die RAin ist jedoch in der Folgezeit nach Darstellung des Klägers untätig geblieben, was nach dessen Auffassung zur Verjährung seiner Schadensersatzansprüche aus ärztlicher Fehlbehandlung führte. Der Kläger erhob deshalb im Dezember 2004 Klage gegen die RAin wegen Anwaltshaftung und erwirkte ein Versäumnisurteil über 134.479,28 EUR nebst Zinsen. Auf Grund dieses rechtskräftig gewordenen Titels sowie der Verfahrenskosten in Höhe von 6.387,46 EUR pfändete der Kläger Ansprüche der RAin gegen deren Haftpflichtversicherung, die Beklagte. Weder die RAin noch der Kläger haben damals die Beklagte vom Vorliegen eines Haftpflichtfalles und der Einleitung des Klageverfahrens gegen die RAin unterrichtet. Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte überwiegend Erfolg.

Aus den Gründen:

“… 1. … 2. In der Sache setzt der Zugriff auf den Haftpflichtanspruch der RAin gegen die Beklagte durch den Kläger zunächst einen Haftpflichtfall voraus, d.h. eine Haftung der RAin gegenüber dem Kläger aus schuldhafter Verletzung des Anwaltsvertrages. Hiervon ist im vorliegenden Fall auszugehen. Eine solche Haftung aus pVV steht schon auf Grund der Bindungswirkung des rechtskräftigen Versäumnisurteils des LG K … fest. Nach herrschender Rspr. entfalten die Urteile im Haftpflichtprozess bezüglich des Haftungsgrundes Bindungswirkung für den nachfolgenden Deckungsprozess (BGH VersR 2007, 641 … ). Dies gilt auch für den Fall, dass es sich – wie vorliegend – im Haftpflichtprozess nur um ein Versäumnisurteil ohne tatsächliche Feststellungen handelt (BGH VersR 2003, 635 … ). Insoweit ist bei der Prüfung des Umfangs der Bindungswirkung auf den Tenor des Versäumnisurteils i.V.m. dem Klagevorbringen zurück zu greifen (BGH VersR 2003, a.a.O. … ).

Zu dieser Bindungswirkung verhält sich das LG nicht. … Daneben wurde festgestellt, dass die RAin für alle künftigen Schäden, die dem Kläger auf Grund des operativen Eingriffs vom 26.4.1993 und der Verletzung der Verpflichtungen der RAin aus dem Anwaltsvertrag vom März 1996 noch entstehen, dem Kläger gegenüber hafte. …

3. Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg auf einen Risikoausschuss nach § 4 Nr. 5 AVB berufen. …

Die Risikoklausel des § 4 Nr. 5 AVB ändert die Bestimmung des § 152 VVG einmal zu Gunsten des Versicherungsnehmers ab, indem der Risikoausschluss nur die Fälle der in der Klausel umschriebenen wissentlichen Verstöße gegen Pflichten erfasst und diesbezüglich als Verschuldensform nicht schon bedingten Vorsatz genügen lässt, sondern dolus directus (‘wissentlich’) erfordert. Zum Nachteil des Versicherungsnehmers wird § 152 VVG durch die Klausel dahin abgeändert, dass es nicht zum Tatbestand gehört, dass der schädigende Erfolg des Pflichtverstoßes gewollt ist. Wegen dieser Ausgestaltung verstößt die Auslegungsklausel nicht gegen das AGB-Gesetz und ist rechtswirksam (BGH NJW-RR 1991, 145). Voraussetzung für ihr Eingreifen ist jedoch eine wissentliche Pflichtverletzung. Eine solche Pflichtverletzung begeht aber nur derjenige Versicherungsnehmer bzw. Versicherte, der die verletzte Pflicht positiv gekannt und sie zutreffend gesehen hat (BGH VersR 1986, 647). Der Versicherungsnehmer muss das Bewusstsein gehabt haben, pflichtwidrig zu handeln. Nur wer bewusst verbindliche Handlungs- oder Unterlassungsanweisungen nicht beachtet hat, mit denen ihm ein bestimmtes Verhalten vorgeschrieben worden ist, muss sich den Risikoausschluss der wissentlichen Pflichtverletzung entgegenhalten lassen … Ein derartiger Pflichtverstoß lässt sich nur dadurch geltend machen, dass aufgezeigt wird, wie sich der Versicherte hätte verhalten müssen. Für einen bewussten Pflichtverstoß muss darüber hinaus dargelegt werden, der Versicherte habe gewusst, wie er sich hätte verhalten müssen. Darlegungs- und beweisbelastet hierfür ist die Beklagte (BGH VersR 1970, 1121; KG VersR 2008, 69 … ).

Die für die Beurteilung der Pflichtverletzung als wissentlich erforderlichen Tatsachen sind im vorliegenden Deckungsprozess festzustellen, denn die Feststellungen im vorangegangenen Haftpflichtprozess zwischen dem Geschädigten und dem Versicherungsnehmer entfalten im nachfolgenden Deckungsprozess zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer Bindungswirkung nur bei Voraussetzungsidentität … Beruht die Verurteilung im Haftpflichtprozess auf...

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