StVG § 4 Abs. 2 S. 3 u. 4, Abs. 3 S. 1 Nr. 2 und Nr. 3, Abs. 7 S. 1; VwVfG NRW § 47

Leitsatz

Die Fahrerlaubnis ist im Rahmen des Punktsystems auch dann nicht nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 (i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 FeV), sondern nach § 4 Abs. 7 Satz 1 StVG zu entziehen, wenn der Punktestand des Betroffenen nach der Anordnung der Teilnahme an einem Aufbauseminar auf 18 oder mehr steigt.

Zum bestandskraftfähigen Inhalt einer Ordnungsverfügung, mit der im Rahmen des Punktsystems die Fahrerlaubnis entzogen wird, gehört auch die Angabe der Rechtsgrundlage für die Entziehung.

OVG NW, Beschl. v. 26.2.2009 – 16 B 1462/08

Sachverhalt

Dem Antragsteller war zunächst die Fahrerlaubnis nach dem Punktsystem entzogen worden, weil er das ihm nach Erreichen von 14 Punkten und mehr auferlegte Aufbauseminar nicht innerhalb der gesetzten Frist absolviert hatte. Er holte daraufhin das Aufbauseminar nach und erwarb hierdurch die Fahrerlaubnis zurück. Nachdem weitere Verstöße zum Überschreiten der 18-Punkte-Marke geführt hatten, entzog ihm der Antragsgegner erneut die Fahrerlaubnis. Der Antragsteller hat gegen die (zweite) Entziehung der Fahrerlaubnis Klage erhoben und zugleich die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage beantragt; zur Begründung trug er vor, nach der ersten Entziehung der Fahrerlaubnis habe sein Punktestand "auf Null" reduziert werden müssen. Der Eilantrag war in erster Instanz erfolgreich, in zweiter Instanz führte die Beschwerde des Antragsgegners zur Ablehnung des Antrags.

Aus den Gründen

Aus den Gründen: „Die Beschwerde des Antragsgegners hat Erfolg. Dem Begehren des Antragstellers auf Anordnung der kraft Gesetzes (§ 4 Abs. 7 Satz 2 StVG) ausgeschlossenen aufschiebenden Wirkung seiner Klage war nicht zu entsprechen, weil die angefochtene Ordnungsverfügung des Antragsgegners, mit welcher dem Antragsteller die Fahrerlaubnis entzogen worden ist, offensichtlich rechtmäßig ist.

Der Antragsgegner ist beim Erlass der Ordnungsverfügung vom 10.6.2008 insbesondere zu Recht davon ausgegangen, dass sich für den Antragsteller bis zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Ordnungsverfügung mindestens 18 Punkte ergeben haben und er daher gem. § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen galt. Der Antragsteller konnte nicht gem. § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG beanspruchen, dass als Folge der vorangegangenen Entziehung der Fahrerlaubnis durch die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 21.11.2006 die bis zur Anordnung der Teilnahme an einem Aufbauseminar verwirkten 17 Punkte gelöscht werden. Denn die vormalige Entziehung der Fahrerlaubnis beruhte auf § 4 Abs. 7 Satz 1 StVG; im Anschluss an eine solche Fahrerlaubnisentziehung findet eine Löschung der bis dahin erreichten Punkte nicht statt (§ 4 Abs. 2 Satz 4 StVG).

Dem VG kann nicht in seiner Auffassung beigetreten werden, im November 2006 hätten auch die Voraussetzungen für eine Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG (i.V.m. den §§ 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und 46 Abs. 1 FeV) vorgelegen und eine hierauf gestützte Fahrerlaubnisentziehung sei unter Anlegung eines objektiven Maßstabes gegenüber der Fahrerlaubnisentziehung auf der Grundlage des § 4 Abs. 7 Satz 1 StVG vorrangig gewesen. Die Ordnungsverfügung vom 21.11.2006, mit der der Antragsgegner dem Antragsteller die Fahrerlaubnis auf der Grundlage von § 4 Abs. 7 Satz 1 StVG entzogen hat, kann weder so ausgelegt noch dahin umgedeutet werden, dass die Entziehung stattdessen auf der Grundlage von § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG erfolgt ist.

Die nach der Rücknahme des Widerspruchs bestandskräftig gewordene Ordnungsverfügung vom 21.11.2006 ist keiner anderen Auslegung zugänglich, als dass der Antragsgegner damit die Fahrerlaubnis auf der Grundlage von § 4 Abs. 7 Satz 1 StVG entzogen hat. Allerdings bedarf es der Auslegung, weil sich der Tenor der Ordnungsverfügung allein auf die Entziehung der Fahrerlaubnis richtet und die Entziehung im Rahmen des Punktsystems auf verschiedenen Rechtsgrundlagen – § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG (i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 FeV) oder § 4 Abs. 7 Satz 1 StVG – beruhen kann. Die Klärung, auf welcher rechtlichen und damit auch tatsächlichen Grundlage die Fahrerlaubnisentziehung beruht, kann nicht dahinstehen, weil sich die weiteren Rechtsfolgen der beiden Entziehungstatbestände erheblich voneinander unterscheiden. Ein Unterschied besteht nicht nur im Hinblick auf die vorliegend strittige Löschung der bis dahin erreichten Punkte (vgl. einerseits § 4 Abs. 2 Satz 3, andererseits § 4 Abs. 2 Satz 4 StVG), sondern auch im Hinblick auf die Voraussetzungen, unter denen nachfolgend eine neue Fahrerlaubnis erworben werden kann. Im Falle einer Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG gilt insoweit § 4 Abs. 10 StVG. Nach Satz 1 dieser Bestimmung darf eine neue Fahrerlaubnis frühestens sechs Monate nach der Wirksamkeit der Fahrerlaubnisentziehung erteilt werden; Satz 3 sieht vor, dass in der Regel durch die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens der ...

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