1) Die Abwicklung des Verkehrsunfalls eines deutschen Kraftfahrers mit der Haftpflichtversicherung des ausländischen Unfallgegners im europäischen Ausland ist durch die 4. KH-Richtlinie des europäischen Parlaments aus der Sicht des betroffenen deutschen Kraftfahrers erheblich verbessert worden. Das auf der Richtlinie beruhende deutsche Gesetz zur Änderung des Pflichtversicherungsgesetzes und anderer haftungsrechtlicher Vorschriften (BGBl I, 2002, S. 2586 ff.) sieht als Idealfall der Regulierung die außergerichtliche Herbeiführung durch den mit dem Gesetz eingeführten Schadensregulierungsbeauftragten vor. Jedes Versicherungsunternehmen ist verpflichtet, für das Gebiet des ausländischen Mitgliedsstaats einen Beauftragten zur Schadensregulierung zu benennen, der binnen einer Frist von drei Monaten die Regulierung des Schadens zu vermitteln hat (vgl. § 7b Versicherungsaufsichtsgesetz, § 12a Abs. 1 Nr. 1 PflVG). Diese außergerichtliche Regulierung entlastet den geschädigten deutschen Kraftfahrer von etwaigen Begründungen seines Anspruchs, da er mit der Anmeldung des Anspruchs seinen Teil zur Regulierung erbracht hat und abwarten kann, ob der Regulierungsbeauftragte zu seiner Zufriedenheit seinen angemeldeten Anspruch ausgleicht. Gelingt dies nicht, leistet die von den Mitgliedsstaaten einzurichtende Entschädigungsstelle nicht (vgl. § 12a Abs. 1 PflVG), findet der Übergang auf die gerichtliche Klärung des behaupteten Anspruchs aus dem Auslandsunfall des deutschen Kraftfahrers statt.

2) Auch hier wird dem deutschen Kraftfahrer entgegengekommen. Das gilt vor allem für die gerichtliche Zuständigkeit der Klärung des Anspruchs. Der geschädigte deutsche Kraftfahrer kann für den etwaigen Anspruch aus dem Auslandsunfall sein deutsches Wohnsitzgericht anrufen. Das folgt jetzt nach Art. 9 Abs. 1b EuGWO, wonach der ausländische VR des Unfallgegners – nicht aber der Halter und Fahrer des ausländischen Fahrzeugs bei dem Wohnsitzgericht des deutschen Unfallgegners verklagt werden kann (vgl. BGH zfs 2015, 689). Zurückzuführen ist diese Bestimmung der internationalen Zuständigkeit des deutschen Gerichts auf ein Urteil des EuGH v. 13.12.2007 (zfs 2008, 139), der der Verweisung in Art. 11 Abs. 2 der VO Nr. 44/2001 v. 22.12.2000 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit für die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen diese Gerichtsstandsbestimmung entnahm (vgl. EuGH zfs 2008, 1399). Übernommen wurde diese Gerichtsstandsbestimmung von dem BGH (zfs 2008, 572) und schließlich in Art. 9 Abs. 1b EuGVVO.

Für den geschädigten deutschen Kraftfahrer werden damit berechtigte oder unberechtigte Befürchtungen vermindert, vor einem ansonsten zuständigen ausländischen Gericht in der Durchsetzung eines berechtigten Anspruchs nicht unterstützt zu werden.

3) Problematisch wird die Vertretungsmöglichkeit des deutschen Geschädigten vor dem deutschen Gericht. Das ergibt sich daraus, dass die maßgebliche Tatortregel des Art. 4 Abs. 1 der Rom-II-Verordnung v. 11.2.2007 bestimmt, dass das Recht des Landes gilt, in dem der Schaden eingetreten ist. Damit ist für den deutschen Anwalt des deutschen Geschädigten die Notwendigkeit begründet, sich die Kenntnisse auf dem Gebiet des ausländischen Rechts zu verschaffen.

Damit sind Haftungsrisiken für den Anwalt verbunden, wenn er nicht über belastbare Kenntnisse des danach maßgeblichen ausländischen Haftungsrechts verfügt. Oft wird sein Mandant um eine Prognose bitten, mit welcher Höhe er hinsichtlich seines Schadensersatzanspruchs rechnen kann. Auch die Bezifferung seines Anspruchs ist nur bei vorheriger Information über die Bemessung der ersatzfähigen Schäden nach dem einschlägigen ausländischen Recht möglich. Kann der Anwalt sich auf einschlägige Entscheidungen stützen, ist seine Information geglückt. Stehen ihm Musterfälle nicht zur Verfügung, kann er den Versuch unternehmen, eine Auskunft nach dem Europäischen Übereinkommen über Auskünfte über ausländisches Recht einzuholen (vgl. BGBl 1974, 937; zum Verfahren vgl. BGBl 1974, 1453). Eine verlässliche und vor allem sofortige Auskunft über den Inhalt ausländischen Haftungsrechts kann durch die Hinzuziehung des Buches von Neidhardt/Zwerger "Unfall im Ausland" erreicht werden.

Der Schwerpunkt der ansonsten erforderlichen Beweisaufnahme über den Inhalt ausländischen Haftungsrechts wird bei der gerichtlichen Geltendmachung liegen, da 90 % aller Auslandsfälle außergerichtlich abgewickelt werden (vgl. Lenor in Himmelreich/Halm "Handbuch des Fachanwalts Verkehrsrecht", 6. Aufl., Kap. 3, Rn 14).

Der Inhalt ausländischen Rechts kann Gegenstand einer Beweisaufnahme sein (§ 293 ZPO).

4) Da deutsches Verfahrensrecht für das Verfahren vor dem deutschen Wohnsitzgericht in Auslandsunfallsachen gilt, könnte der Eindruck erweckt werden, dass insoweit Probleme nicht auftauchen. Lafontaine hat in zwei Beiträgen für den Kernbereich der Verfahren, die Beweiserhebung, auf die Vielzahl von verfahrensrechtlichen Problemen des Beweisrechts hingewiesen (vgl. DAR 2020, 341 ff.; ders. ...

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