"…"

[6] Die Revision ist begründet. Sie führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das BG.

I.

[7] Das BG hat seine Entscheidung – soweit noch im Revisionsrechtszug von Bedeutung – wie folgt begründet:

[8] Den Kl. stehe als Mitgläubigern in Erbengemeinschaft gegen den Bekl. ein Zahlungsanspruch in Höhe von 60.465,37 EUR aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB zu. Der Bekl. habe diesen Geldbetrag “in sonstiger Weise' im Sinne dieser Vorschrift erlangt. Dabei könne dahinstehen, ob der Erblasser die einzelnen Barabhebungen jeweils angewiesen habe. Eine Eingriffskondiktion sei auch bei einem rechtmäßigen Eingriff, dessen Erlaubnis – wie hier – mit keiner sachlichen Zuweisung an den Eingreifenden verbunden sei, gegeben. Das abgehobene Bargeld sei unstreitig nicht dem Bekl. zugewiesen gewesen, sondern habe Geld des Erblassers bleiben und allenfalls auf dessen Wunsch dem Kl. zu 2 zugewendet werden sollen. Der Bekl. habe den Geldbetrag auch ohne Rechtsgrund erlangt. Ein von ihm darzulegender “Behaltensgrund' sei nicht erkennbar.

[9] Der Anspruch sei nicht durch Erfüllung nach § 362 Abs. 1 BGB erloschen. Zwar habe die Vorinstanz keine Feststellungen zu der streitigen Frage getroffen, ob der Bekl. auf Wunsch des Erblassers insgesamt 63.600 EUR bar an den Kl. zu 2 übergeben habe. Zum Inhalt des dem Kl. zu 2 ausgehändigten Briefumschlags und der beiden ihm übergebenen Geldtaschen hätten aber die erstinstanzlich vernommenen Zeugen D. und E. v. S. aus eigener Wahrnehmung keine Angaben machen können. Im Hinblick auf diese – erstmals in der Berufungsinstanz gewürdigte – Unergiebigkeit der Aussagen der Zeugen sei deren erneute Vernehmung nicht geboten. Zu den behaupteten Geldübergaben sei auch nicht der Beklagte als Partei anzuhören oder zu vernehmen. Eine Parteivernehmung nach § 448 ZPO scheide aus, da sich der hierfür, nötige “Anbeweis' weder aus der durchgeführten Beweisaufnahme noch aus dem schriftsätzlichen Vorbringen des Bekl. ergebe. Eine Parteianhörung sei nach dem Grundsatz der Waffengleichheit nicht angezeigt, da es um kein Vier-Augen-Gespräch mit einem im Lager der anderen Partei stehenden Zeugen gehe und die bloße Beweisnot des nur über unergiebige Zeugen verfügenden Bekl. sie nicht rechtfertige. Die zulässige Hilfsaufrechnung greife nicht, da eine aufrechenbare Gegenforderung nicht bestehe.

II.

[10] Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

[11] Zwar ist das BG zutreffend davon ausgegangen, dass der Bekl. für seine Behauptung, er habe auf Wunsch des Erblassers insgesamt 63.600 EUR in bar, also mehr als den zugesprochenen Betrag, an den Kl. zu 2 übergeben, beweispflichtig ist – was unabhängig davon gilt, ob dieses Vorbringen als Erfüllungs- oder als Entreicherungseinwand im Sinne des § 818 Abs. 3 BGB zu behandeln ist. Jedoch ist seine Annahme, der Bekl. habe diesen Beweis nicht zu führen vermocht, von Verfahrensfehlern beeinflusst. Denn es hat sie unzutreffend allein auf die – von ihm nur unvollständig gewürdigten – erstinstanzlichen Aussagen der Zeugen gestützt.

[12] Nach § 286 Abs. 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung wahr oder unwahr ist. Diese Würdigung ist grds. Sache des Tatrichters, an dessen Feststellungen das Revisionsgericht gem. § 559 Abs. 2 ZPO gebunden ist. Dieses kann lediglich überprüfen, ob die Vorinstanz die Voraussetzungen und die Grenzen des § 286 ZPO gewahrt hat. Damit unterliegt der Nachprüfung nur, ob sich der Tatrichter mit dem Prozessstoff und den etwaigen Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, seine Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr., vgl. nur Senat, Urt. v. 19.6.2008 – III ZR 46/06, WM 20.08, 1552 Rn 22 und v. 5.11.2009 – III ZR 6/09, WM 2010, 478 Rn 8, jeweils m.w.N.). Die auch nach diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab erforderliche umfassende und vollständige Auseinandersetzung mit dem erstinstanzlichen Beweisergebnis hat das BG nicht vorgenommen. Denn es hat übersehen, dass beide Zeugen Indizien bekundet haben, die darauf hindeuten, dass sich in dem Briefumschlag und den Geldtaschen, die der Bekl. unstreitig an den Kl. zu 2 übergeben hat, tatsächlich jeweils größere Bargeldbeträge und nicht bloß Unterlagen befunden haben.

[13] a) Der Zeuge E. v. S. hat bei seiner erstinstanzlichen Vernehmung die Übergaben eines Briefumschlags bei der im Seniorenstift abgehaltenen Trauerfeier für I.W. am 18.6.2015 und zweier Geldtaschen am 21.10.2015 in einem Restaurant in G. sowie nach der Beisetzung des Erblassers am 28.10.2015 in einem anderen Restaurant in G. an den Kl. zu 2 bestätigt. Weiter hat er angegeben, dass der Kl. zu 2 am 18.6.2015 dem Bekl. mehrere Geldtaschen mit Volksbank-Logo – also solche, wie die nach dem Beklagtenvorbringen später benutzten – aus...

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