Es ist nicht selten, dass durch einen Unfall oder durch einen Behandlungsfehler ein Mensch zu Schaden kommt, der bereits erhebliche Vorschädigungen aufwies. Es kommt auch vor, dass das Unfallgeschehen einen Menschen trifft, bei dem sich die Unfallfolgen aufgrund einer Schadensanlage besonders gravierend auswirken. Auf Schädigerseite möchte man gern der Einstandspflicht mit Hinweis auf die Vorschädigungen bzw. die Schadensanlage ausweichen. Dieser Versuch ist nicht unproblematisch.

I. Kausalität

Nach der für das Zivilrecht geltenden Adäquanztheorie ist jede Bedingung, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele, ursächlich für das Unfallereignis und dessen Folgen. Im Haftungsrecht ist entscheidend, ob es auch ohne Unfall zu dieser gesundheitlichen Entwicklung gekommen wäre.[3] Der Schädiger haftet auch dann, wenn der Unfall der letzte Tropfen gewesen ist, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat.[4] Der BGH[5] betont in ständiger Rechtsprechung, dass ein Schädiger keinen Anspruch darauf hat, auf einen gesunden Geschädigten zu treffen. Von daher wird man die Kausalität des schädigenden Ereignisses für den eingetretenen Schaden regelmäßig nicht in Abrede stellen können.

Den Schädiger entlastet nicht, wenn er auf eine unfallfremde Schadensanfälligkeit eines Unfallbeteiligten trifft, die den Schadenseintritt erleichtert oder vergrößert.[6] Die Einstandspflicht trifft den Schädiger auch dann, wenn der Schaden auf einem Zusammentreffen körperlicher Vorschäden und den Unfallverletzungen beruht.[7]

[3] BGH v. 10.7.2012 – VI ZR 127/11 – NZV 2012, 527; BGH v. 25.4.2006 – VI ZR 109/05 – NZS 2006, 600; BGH v. 19.4.2005 – VI ZR 175/04 – DAR 2005, 441 = NZV 2005, 461; BGH v. 20.11.2001 – VI ZR 77/00 – DAR 2002, 115 = NZV 2002, 113.
[4] BGH v. 11.11.1997 – VI ZR 146/96 – DAR 1998, 66 = NZV 1998, 110 (Anm. Heß NZV 1998, 402); BGH v. 11.11.1997 – VI ZR 376/96 – DAR 1998, 63 = NZV 1998, 65 (Anm. Heß NZV 1998, 402); BGH v. 30.4.1996 – VI ZR 55/95 – DAR 1996, 351 = NZV 1996, 353. Siehe auch OLG Hamm v. 31.1.2000 – 13 U 90/99 – DAR 2000, 263.
[5] Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke-Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 26. Aufl. 2020, vor § 249 BGB Rn 20 m.w.H.
[6] BGH v. 11.11.1997 – VI ZR 376/96 – DAR 1998, 63 = NZV 1998, 65 (Anm. Heß NZV 1998, 402); BGH v. 22.10.1963 – VI ZR 187/62 – DAR 1964, 83 = VersR 1964, 49; OLG Düsseldorf v. 12.3.2007 – 1 U 206/06 – BeckRS 2007, 06461.
[7] BGH v. 19.4.2005 – VI ZR 175/04 – DAR 2005, 441 = NZV 2005, 461; OLG Düsseldorf v. 12.3.2007 – 1 U 206/06 – BeckRS 2007, 06461.

II. Teilkausalität

Eine Mitursächlichkeit,[8] und sei es auch nur i.S.e. Auslösers neben erheblichen anderen Umständen, steht der Alleinursächlichkeit grundsätzlich haftungsrechtlich in vollem Umfang gleich.[9]

Eine Ausnahme gilt, wenn feststeht, dass der Behandlungsfehler nur zu einem abgrenzbaren Teil des Schadens geführt hat (abgrenzbare Teilkausalität).[10] Erforderlich ist, dass sich der Schadensbeitrag der schädigenden Handlung einwandfrei von dem anderen Schadensbeitrag – etwa einer Vorschädigung des Verletzten – abgrenzen und damit der Haftungsanteil des Täters bestimmen lässt.[11] Andernfalls verbleibt es bei der Einstandspflicht für den gesamten Schaden, auch wenn dieser durch andere, schicksalhafte Umstände wesentlich mitverursacht worden ist.[12]

[8] Siehe ergänzend Jahnke/Burmann-Jahnke/Burmann, Handbuch des Personenschadensrechts, 1. Aufl. 2016, Kap. 2 Rn 310 f.
[10] BGH v. 20.5.2014 – VI ZR 187/13 – NJW-RR 2014, 1118 (Haftung bei einem teils schicksalhaft, teils behandlungsfehlerhaft verursachten Gesundheitsschaden); BGH v. 13.11.2007 – VI ZR 155/07 – BeckRS 2007, 18609; BGH v. 5.4.2005 – VI ZR 216/03 – NJW 2005, 2072; BGH v. 8.2.2000 – VI ZR 325/98 – NJW 2000, 2741; BGH v. 1.10.1996 – VI ZR 10/96 – NJW 1997, 796.
[11] BGH v. 20.5.2014 – VI ZR 187/13 – NJW-RR 2014, 1118 unter Hinweis auf Müller VersR 2006, 1289 (1296).

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