"… II."

Die Beschwerde ist nach § 56 Abs. 2, § 33 Abs. 36 RVG zulässig, da das Arbeitsgericht die Beschwerde zugelassen hat. Sie ist frist- und formgerecht eingelegt worden.

In der Sache selbst ist die Beschwerde begründet. Der Klägerinvertreter hat Anspruch darauf, dass die ihm gegenüber festzusetzende Vergütung in Höhe von 1.294,72 EUR festgesetzt wird. Die seitens des Arbeitsgerichts im Beschl. v. 17.5.2019 vorgenommene Vergütungsfestsetzung in Höhe von 1.244,15 EUR ist nicht korrekt berechnet.

Nach der VV RVG Nr. 2503 Abs. 2 ist die Geschäftsgebühr in Höhe von 85,00 EUR auf die Gebühren für ein anschließendes gerichtliches Verfahren zur Hälfte anzurechnen. Voraussetzung für die Gebührenanrechnung ist, dass sich die Gegenstände im Rahmen der Beratungshilfetätigkeit und des sich anschließenden Verfahrens zumindest teilweise decken (Gerold/Schmidt-Mayer, RVG, 24. Aufl., Nrn. 2500-2508 VV RVG Rn 41). Dies ist vorliegend der Fall, da der Klägerinvertreter für eine vorgenommene Beratungshilfe in diesem Verfahren 121,38 EUR erhalten hat.

Entscheidend kommt es darauf an, dass der Klägerinvertreter nach § 15 Abs. 3 RVG durch die vorzunehmende Kappung nicht mehr als 347,10 EUR erhalten kann. Dies folgt aus § 15 Abs. 3 RVG: Sind für Teile des Gegenstands verschiedene Gebührensätze anzuwenden, entstehen für die Teile gesondert berechnete Gebühren, jedoch nicht mehr als die aus dem Gesamtbetrag der Wertteile nach dem höchsten Gebührensatz berechnete Gebühr. Dies sind 5,866,00 EUR mit einer 1,3 Gebühr, demgemäß 347,10 EUR.

Streitig ist nunmehr, ob die hälftige Geschäftsgebühr in Höhe von 85,00 EUR von der 1,3 Verfahrensgebühr in Höhe von 334,10 EUR abzuziehen ist oder von der Obergrenze nach § 15 Abs. 3 RVG mit einem Wert von 1,3 aus 5.866,00 EUR. Die erste Variante wäre für den Klägerinvertreter günstiger, da sie in der Summe zu einer festzusetzenden Vergütung in Höhe von 1.294,72 EUR führt.

Richtigerweise ist erst die Geschäftsgebühr auf die Gebühr nach VV RVG 3100 anzurechnen und sodann zu ermitteln, ob die Kappungsgrenze des § 15 Abs. 3 RVG überschritten wird (OLG München, BeckRS 2012, 5995; OLG Karlsruhe zfs 2011, 468 m. Anm. Hansens = RVGreport 2011,300 (Hansens)= AGS 2011, 165; OLG Stuttgart RVGreport 2009, 103 (Ders.) = AGS 2009, 56; Enders JurBüro 2009, 225, 351; Riedel/Sußbauer/Ahlmann, RVG, 10. Aufl., § 15 Rn 45; Gerold/Schmidt/Mayer, a.a.O., § 15 Rn 97).

Hierfür spricht zum einen der Wortlaut der Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG; danach findet eine Anrechnung nur statt, soweit wegen desselben Gegenstands eine Geschäftsgebühr entsteht. Diese Voraussetzung ist nur hinsichtlich des rechtshängigen Anspruchs erfüllt. Auch der Zweck der Anrechnungsvorschrift, die verhindern will, dass die – annähernd – gleiche Tätigkeit zweimal vergütet wird, wenn sie für unterschiedliche Angelegenheiten anfällt (Riedel/Sußbauer/Ahlmann, a.a.O., § 15 Rn 45, Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, a.a.O., Vorbem. 3 VV RVG Rn 245), unterstützt diese Vorgehensweise.

Zwar normiert der Wortlaut der VV RVG Nr. 2503 Abs. 2, dass auf die Gebühren für ein anschließendes gerichtliches Verfahren die Geschäftsgebühr zur Hälfte anzurechnen ist. Hieraus könnte der Schluss gezogen werden, dass zunächst die Kappungsgrenze zu ermitteln ist und sodann die Anrechnung der hälftigen Geschäftsgebühr zu erfolgen hat. Für diese Vorgehensweise wird vertreten, dass die Geschäftsgebühr nach VV RVG 2503 im Gegensatz zur Geschäftsgebühr nach VV RVG 2300-2303 nicht nur auf die Verfahrensgebühr, sondern auf sämtliche Gebühren im anschließenden gerichtlichen Verfahren zur Hälfte anzurechnen ist (vgl. Gerold/Schmidt-Mayer, a.a.O., Nrn. 2500–2508 VV RVG Rn 41). Nach Auffassung des Beschwerdegerichts kann aus der Formulierung der VV RVG Nr. 2503 nicht abgeleitet werden, dass zunächst die Kappungsgrenze des § 15 Abs. 3 RVG zu ermitteln und sodann die hälftige Geschäftsgebühr abzuziehen ist. Die Anrechnung der Gebühren auf ein anschließendes gerichtliches Verfahren schließt die Anrechnung auf die rechtshängigen Ansprüche, für die der Rechtsanwalt die Geschäftsgebühr erhalten hat, nicht aus. Diese Form der Anrechnung ist unter Berücksichtigung einer weiten Auslegung der Formulierung der VV RVG Nr. 2503 Abs. 2 ebenfalls möglich und passt in den Gesamtkontext der Kommentierungen zu VV RVG Nr. 3100.

Unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks der Anrechnung zur Verhinderung einer doppelten Vergütung für gleiche Tätigkeiten muss beachtet werden, dass bezüglich der in den Vergleich einbezogenen, nicht rechtshängigen Ansprüche vom Rechtsanwalt kein vorgerichtlicher Aufwand betrieben worden ist, der ihm die spätere Arbeit im gerichtlichen Verfahren erleichtert hat (OLG Karlsruhe zfs 2011, 468 m. Anm. Hansens = AGS 2011, 165; Riedel/Sußbauer/Ahlmann, a.a.O., § 15 Rn 45). Insofern wäre eine Anrechnung nach Ermittlung der Kappungsgrenze des § 15 Abs. 3 RVG systemwidrig.

Nach alledem ist die Entscheidung des Arbeitsgerichts Lübeck zugunsten des Klägervertreters abzuändern. …“

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