1) Auch der zweite Angriff des LG Darmstadt gegen die fiktive Schadensabrechnung im Deliktsrecht ist im Instanzenzug gescheitert. Nachdem das LG Darmstadt in einem Urt. v. 5.9.2018 die rechtliche Möglichkeit der fiktiven Schadensabrechnung nicht nur im Zusammenhang mit auf Deliktsrecht bestehenden Schadensersatzansprüchen, sondern für Ersatzansprüche aller Art verneint hatte (zfs 2019, 24 m. Anm. Diehl) scheiterte dieser Versuch bei dem im Instanzenzug zuständigen 22. Zivilsenat in Darmstadt (vgl. Beschl. v. 18.6.2019 – 22 U 210/18). Auch der zweite Versuch des LG Darmstadt, die Ziviljustiz zum Abschied von der fiktiven Schadensabrechnung zu bewegen (NZV 2019, 91) ist mit der vorliegenden Entscheidung des OLG Frankfurt – Zivilsenat in Darmstadt – nicht gebilligt worden.

In Verbindung mit der Empfehlung des Arbeitskreises II des 58. Deutschen Verkehrsgerichtstages ist damit der Versuch des LG Darmstadt endgültig gescheitert, die Rechtspraxis zum Abschied von der fiktiven Abrechnung im Deliktsrecht zu bewegen (vgl. auch Syrbe SVR 2020, 5 ff.; ders. NJW 2020. 485). Der Arbeitskreis ging nahezu einstimmig davon aus, dass die fiktive Abrechnung von Sachschäden nach einem Verkehrsunfall beizubehalten sei und die als Grundlage für den Abschied von der fiktiven Abrechnung von dem LG angenommene Rspr. des BGH zur verbotenen fiktiven Abrechnung von Mängelbeseitigungskosten keine ausreichende Grundlage für eine Erstreckung dieses Verbotes auf die Abrechnung von Sachschäden bei Verkehrsunfällen bietet (vgl. Rn 31–34).

2) Die vorliegende Entscheidung fasst die durchgreifenden Bedenken gegen die vom LG geäußerten Abschaffungsgründe hinsichtlich der fiktiven Abrechnung zusammen:

Zunächst überzeugt es nicht, dass die vom LG angeführten Bedenken gegen die gesetzgeberische Entscheidung zur Wechselwirkung von Dispositionsfreiheit, Wirtschaftlichkeitspostulat und Bereicherungsverbot nicht in die Begründung einbezogen werden, sondern von einem Gericht eine Verwerfungskompetenz zu Unrecht beansprucht wird, die zur Beseitigung gesetzgeberischer Entscheidungen berechtigen soll.
Empirisch ungesichert wirft das LG jedem Geschädigten vor, mit der fiktiven Abrechnung – häufig zu Zwecken des Betruges – Überkompensation des Schadens und ungerechtfertigte Bereicherung zu bezwecken. Dieser Globalvorwurf gegen Geschädigte ist in zweifacher Hinsicht unberechtigt: Zum einen werden häufig erstmals Geschädigte, die mit der Abrechnungstechnik bisher nicht vertraut sind, unredliche Vorstellungen nicht entwickeln. Zum anderen sind die von dem Senat angeführten Vorkehrungen zur Verhinderung von Abrechnungsbetrügereien längst getroffen worden, was der fiktiven Abrechnung die Möglichkeit beschränkt, zum Zwecke des Betruges eingesetzt zu werden.
Nicht überzeugend ist auch die vom LG zugrunde gelegte Annahme, der Entscheidung des BGH auf dem Gebiet des Werkvertragsrechts vom 22.2.2018 (BauR 2018, 815) komme irgendeine Bedeutung für die Zulässigkeit der fiktiven Abrechnung von Sachschäden nach einem Verkehrsunfall zu. Der VII. Zivilsenat hatte eine solche Auswirkung seiner Entscheidung verneint, die in der vorliegenden Entscheidung dargestellten Besonderheiten werkvertraglicher Zusammenhänge (Rn 33–36) stützen die Annahme der Unergiebigkeit der Überlegungen des VII. Zivilsenates für die Frage des Fortbestandes der Möglichkeit der fiktiven Abrechnung im Verkehrsunfallrecht.

RiOLG a.D. Heinz Diehl

zfs 5/2020, S. 264 - 268

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge