Nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB kann der unfallgeschädigte Kfz-Eigentümer von dem Schädiger statt der "Herstellung des Zustands ohne die (Fahrzeug-)Beschädigung" – Naturalrestitution i.S.v. § 249 Abs. 1 BGB (n.F.) – den "dazu erforderlichen Geldbetrag" verlangen.

Diese Ersetzungsbefugnis des Geschädigten ist Anlass einer differenzierten Rechtsprechung unter Führung des VI. Zivilsenats des BGH und gegenwärtig einer noch breiteren Diskussion über ihre Umsetzung in der Praxis. Aktuell bestehen Bestrebungen, sie abzuschaffen unter der Anschuldigung, dass sie zu einer Überkompensation des Geschädigten verleite. Dazu möchte ich anmerken:

Vorab ist angesichts anderslautender Stimmen (Schiemann VGT 2020) klarzustellen:

Die Ersetzungsbefugnis des Geschädigten beruht auf Gesetzesrecht – dem § 249 Satz 2 BGB a.F., unverändert übernommen durch die Novelle von 2002 in § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. Sie ist nicht erst durch Richterrecht begründet worden und schon gar nicht erst durch den VI. Zivilsenat des BGH in seinem Urteil v. 23.3.1976 – VI ZR 41/74, BGHZ 66, 239.

In ihrer Entstehung ist die Ersetzungsbefugnis Gegenstand einer eingehenden Beratung letztendlich in der 2. Kommission gewesen.

Zu § 249 a.F. – im Entwurf § 219 BGB – lagen der Kommission insgesamt 7 Anträge zuzüglich weiterer Unteranträge vor. Antrag 1 lautete:

Zitat

"1. Wer zum Schadensersatze verpflichtet ist, hat denjenigen Zustand herzustellen, welcher vorhanden sein würde, wenn der zum Ersatze verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Soweit die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend ist, hat der Ersatzpflichtige den Gläubiger in Geld zu entschädigen."

Der Gläubiger ist berechtigt, anstatt der Herstellung den Betrag der Aufwendungen zu fordern, welche der Ersatzpflichtige machen müßte, um die Herstellung zu bewirken. Ist die Herstellung nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich, so kann der Ersatzpflichtige den Gläubiger in Geld entschädigen, wie wenn die Herstellung unmöglich wäre.

Hierzu

a) der Unterantrag:

Alpha: in Abs. 1 statt: "den Gläubiger in Geld zu entschädigen" zu bestimmen: "dem Gläubiger den demselben durch den zum Ersatze verpflichtenden Umstand erwachsenen Vermögensverlust in Geld zu ersetzen";

Beta: in Abs. 2 statt der Worte: "welche der Ersatzpflichtige machen müßte" zu bestimmen: "welche erforderlich sind";

b) den Zusatzantrag, dem Abs. 2 den Satz anzufügen: "Wird die Herstellung nicht innerhalb einer von dem Gläubiger bestimmten angemessenen Frist bewirkt, so ist der Gläubiger berechtigt, die Entschädigung in Geld zu verlangen."“

Alle anderen Anträge sahen primär die Entschädigung des Gläubigers in Geld vor und erst in zweiter Linie eine (Ersetzungs-)Befugnis des Schädigers zur Naturalrestitution, diese gestellt unter die Voraussetzung, dass der Naturalrestitution das Interesse des Gläubigers (Anträge 2, 4) bzw. eine erhebliche (Antrag 6) bzw. unbillige (Antrag 7) Belästigung bzw. Gefährdung (Antrag 7) des Gläubigers nicht entgegensteht (Anträge 2, 4, 6, 7); die Zulässigkeit einer Naturalrestitution durch den Schädiger teilweise zusätzlich gestellt unter das freie richterliche Ermessen (Anträge 4, 5).

Die Kommission entschied sich – unter Zurückweisung von weiteren Abänderungsvorschlägen der Redaktion – für den Antrag 1 mit dem Unterantrag a) Beta, weil er dem Gläubiger "nicht nur den Betrag, welchen der Schuldner (zur Naturalrestitution) aufwenden müßte, sondern den ihm (dem Gläubiger) zur Bewirkung der Herstellung erforderlichen Betrag in Geld zu fordern gestattet". Für ihre Entscheidung gab die Kommission u.a. die folgende Begründung:

Zitat

"(Prot. 593) Verstehe man unter Schaden jeden wirtschaftlichen Nachtheil und unter Ersatz die Ausgleichung dieses Nachtheiles, so ergebe sich, daß dieser Ersatz ebensowohl durch Naturalrestitution wie durch Geldentschädigung geschehen könne. Die terminologische Erweiterung des Schadensersatzbegriffes widerstreite weder der natürlichen Auffassung noch der rechtsgeschichtlichen Entwickelung; sie entspreche einer im Gebiete des gemeinen Rechtes verbreiteten Ansicht und stimme mit dem Sächs. BG und im Prinzipe auch mit dem ALR I 6 § 79 überein. Es komme hinzu, daß, wenn die Herstellung des früheren Zustandes und die Geldentschädigung nicht auseinander gehalten, sondern unter dem Begriffe des Schadensersatzes zusammengefaßt werde, die Technik des Gesetzes sich wesentlich vereinfache und Wiederholungen vermieden werden könnten. Seitens der Kritik sei der § 219 mißverständlich ausgelegt (Prot 594) worden. Von Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes könne nur dann die Rede sein, wenn derselbe Zustand, welcher vor der Beschädigung bestanden, wieder hergestellt werde. Es könne daher der Gläubiger nicht gezwungen werden, als Ersatz für die Beschädigung einer vertretbaren Sache eine andere Sache derselben Art anzunehmen, und von den Umständen des Falles hänge es ab, ob durch Ausbesserung einer beschädigten Sache der frühere Zustand wieder hergestellt werde.(…)"

Was die im A...

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