BayBG Art. 97; ZPO § 794

Leitsatz

1. Wird ein Polizeibeamter im Einsatz bei einem tätlichen rechtswidrigen Angriff körperlich verletzt, kann er gegen den Schädiger einen Schmerzensgeldanspruch geltend machen und sich mit dem Schädiger im Zivilprozess vergleichen.

2. Ist der Schädiger zahlungsunlähig, kann der Polizeibeamte das Land als Anstellungsbehörde auf Erfüllungsübernahme in Anspruch nehmen, wenn sein Anspruch darauf beruht, dass er wegen der Eigenschaft als Beamter verletzt wurde und die Übernahme zur Vermeidung einer unbilligen Härte notwendig ist.

3. Der rechtskräftigen Feststellung der Zahlungspflicht steht ein gerichtlicher Vergleich nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gleich, sobald er unwiderruflich und der Höhe nach angemessen ist.

VG Ansbach, Urt. v. 25.7.2019 – AN 1 K 18.01545

Sachverhalt

Der Kl. ist Polizeihauptmeister im Dienste des Landes Bayern. Er macht mit der Klage die Erfüllung von Schmerzensgeldansprüchen nach Art. 97 des bayerischen Beamtengesetzes geltend. Nach dieser Bestimmung, die in allen Bundesländern in den jeweiligen Gesetzen geregelt ist (vgl. § 80a LBG BW; 74 a LBG Thüringen; § 33a LBG Niedersachsen; § 81a LBG Hessen) wird für nicht beitreibbare Ansprüche von Beamten auf Zahlung von Schmerzensgeld eine besondere Form der Verpflichtung zur Erfüllungsübernahme des Dienstherrn geregelt. Auf Antrag kann der Dienstherr die Erfüllung eines Schmerzensgeldanspruchs übernehmen, sofern der Beamte oder die Beamtin in Ausübung des Dienstes oder außerhalb des Dienstes wegen der Eigenschaft als Beamter oder Beamtin einen rechtskräftig festgestellten Anspruch gegen einen Dritten hat und die Erfüllungsübernahme zur Vermeidung einer unbilligen Härte notwendig ist. Sobald ein gerichtlicher, seiner Höhe nach angemessener Vergleich unwiderruflich ist, steht er einer rechtskräftigen Feststellung gleich.

Die Dienstunfallanzeige des Kl. hatte folgenden Wortlaut:

Zitat

"Der später Beschuldigte sollte auf seinem Fahrrad während der Streifenzeit einer Verkehrskontrolle unterzogen werden. Dabei ergriff er die Flucht und konnte kurze Zeit später von der uniformierten Streifenbesatzung gestellt werden. Er versuchte weiterhin zu flüchten und griff die Streifenbesatzung tätlich an nachdem er sich aus den Festhaltegriffen gelöst hatte. Zur Festhaltung und Unterbindung der Angriffe sollte er nach Ankündigung von uns zu Boden gebracht werden. Dabei befand er sich im so genannten Schwitzkasten von meinem linken Arm und versuchte nach vorne auszureißen. Beim Runterdrücken stieß er von der Seite mit seinem rechten Knie gegen meinen linken Unterschenkel, unterhalb vom Knie. Sofort verspürte ich einen starken Schmerz am linken Knie und Unterschenkel und war dienstunfähig."

Der Kl. erlitt durch die Widerstandhandlung des später Beschuldigten eine Ruptur des vorderen Kreuzbandes am linken Kniegelenk mit Überdehnung des linken Kreuzbandes, eine Verletzung des Außenbandes am linken Kniegelenk mit Verletzung des lateralen Retinaculums sowie einen knöchernen schaligen Ausriss am lateralen Tibiakopf durch die Außenbandläsion. Der Kl. war 7 Monate dienstunfähig und muss als Folge der Gelenkverletzungen mit dem späteren Eintritt einer Arthrose rechnen.

Der Kl. machte vor dem LG gegen den Schädiger ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld von mindestens 25.000 EUR geltend. Auf Vorschlag des Gerichts schlossen die Parteien einen Vergleich über das Schmerzensgeld in Höhe von 16.300 EUR. Der Vergleich wurde rechtswirksam, in der mündlichen Verhandlung legte das LG seine im Sitzungsprotokoll festgehaltenen Erwägungen zur Bemessung des Vergleichsbetrages wie folgt nieder:

Zitat

"Die Höhe des Schmerzensgelds wird vom Gericht unter Berücksichtigung der erlittenen Verletzungen des Kl. sowie des zwischen den Parteien unstreitigen Betäubungsmitteleinflusses des Bekl. zum Verletzungszeitpunkt bemessen. Auch die vorgetragenen Folgen der Verletzung wurden mit einbezogen. Ebenfalls berücksichtigt wurden u.a. die zum Teil vergleichbaren Entscheidungen des OLG Frankfurt a.M. vom 22.2.2020, Az: 16 O 145/08, des OLG Saarbrücken vom 15.11.2011. Az.: 4 U 593/10, des OLG Hamm vom 15.2.2013, Az.: I-19 U 96/12, des OLG München vom 10.7.2014, Az.: 24 U 3058/13 und des OLG Bamberg vom 19.8.2014, Az.: 5 U 176/13."

Der Bevollmächtigte des Schädigers hatte bereits in der mündlichen Verhandlung vor dem LG darauf hingewiesen, dass er derzeit zahlungsunfähig sei. Der sich in einer JVA in Haft befindliche Schädiger gab ein Vermögensverzeichnis gem. § 802c ZPO ab. Der Kl. beantragte daraufhin bei dem Landesamt für Finanzen des Freistaates Bayern die Erfüllungsübernahme des Schmerzensgeldanspruchs mit der Begründung, der Schädiger habe den Vergleichsbetrag nicht gezahlt.

Das Landesamt für Finanzen lehnte den Antrag durch Bescheid ab. Das für die Beurteilung des öffentlich-rechtlichen Anspruchs auf Erfüllungsübernahme zuständige Verwaltungsgericht ging von der Rechtswidrigkeit des Bescheids aus und bejahte einen Rechtsanspruch des Kl. auf die Erfüllungsübernahme.

2 Aus den Gründen:

"Der Bescheid de...

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