Anmerkung:

Das Thema "Cannabis und Straßenverkehr" ist seit Einführung der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) vor ca. 20 Jahren das meist diskutierte Thema im Verkehrsverwaltungsrecht.

Bis heute haben diese Diskussionen zu keinen Anpassungen der Rechtsnormen des §14 und der Anlage 4 zur FeV geführt.

Diesmal musste sich das BverwG wieder mit der Thematik befassen und hat sich zeitgleich zu 5 oberverwaltungsgerichtlichen Entscheidungen geäußert. Bis auf eine Entscheidung des OVG Münster[1] waren vier Entscheidungen des VGH München[2] betroffen. Während der VGH München die bisherige Verwaltungspraxis der Verwaltungsbehörden zutreffend und nachvollziehbar in Frage stellte, bestätigte das OVG Münster diese Umsetzung der FeV durch die Verwaltungsbehörden und hat insbesondere die Eingriffsgrenze von 1 ng/ml THC entgegen den Ausführungen der Grenzwertkommission unter Verweis auf die Rechtsprechung des BVerwG bestätigt.

Bei dem primären Sachverhalt der zu entscheiden war, ging es um die Frage inwieweit eine einmalige Auffälligkeit im Straßenverkehr unter dem Einfluss von Cannabis nach § 24a StVG den sofortigen verwaltungsrechtlichen Entzug der Fahrerlaubnis rechtfertigt.

Die bisherige Auffassung des BVerwG aus einer Entscheidung aus 2014:[3]

Zitat

"… In Bezug auf den zugrunde zu legenden Gefährdungsmaßstab geht das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der ganz überwiegenden verwaltungsgerichtlichen"

Rechtsprechung zutreffend davon aus, dass eine ausreichende Trennung, die eine gelegentliche Einnahme von Cannabis im Hinblick auf die Verkehrssicherheit noch als hinnehmbar erscheinen lässt, nur dann vorliegt, wenn der Betroffene Konsum und Fahren in jedem Fall in einer Weise trennt, dass durch eine vorangegangene Einnahme von Cannabis eine Beeinträchtigung seiner verkehrsrelevanten Eigenschaften unter keinen Umständen eintreten kann. Das bedeutet, dass auch die Möglichkeit einer solchen cannabisbedingten Beeinträchtigung der Fahrsicherheit ausgeschlossen sein muss.

… Dementsprechend ist die Grenze eines hinnehmbaren Cannabiskonsums nicht erst dann überschritten, wenn mit Gewissheit eine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit anzunehmen ist oder es – wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (…) fordert zu einer signifikanten Erhöhung des Unfallrisikos kommt, sondern bereits dann, wenn die Möglichkeit einer cannabisbedingten Beeinträchtigung der Fahrsicherheit besteht. Hat der Betroffene in der Vergangenheit ein Kraftfahrzeug unter einem THC-Pegel geführt, bei dem eine Beeinträchtigung seiner Fahrsicherheit möglich war, rechtfertigt das nach der der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zugrunde liegenden Wertung zugleich Zweifel daran, dass er künftig stets die gebotene Trennung von Cannabiskonsum und Fahren beachten wird; das wiederum führt zur Verneinung seiner Fahreignung.“

Die Verwaltungsbehörden bestätigten in ihrer Umsetzungspraxis unter Zugrundelegung des Sachverhalts aus Anlage 4 Nr.9.2.2 die Ungeeignetheit ohne vorgelagerte Eignungsüberprüfung durch ein Gutachten als gegeben anzunehmen und die Fahrerlaubnis mit sofortiger Vollziehung zu entziehen.

Dieser Auffassung wurde aufgrund der bestehenden Rechtsnormen und den Grundlagen zur Erstellung von medizinisch-psychologischen Gutachten aus den Beurteilungskriterien[4] in der Fachliteratur[5] und nachvollziehbar durch die seit 2017 bestehende Rechtsprechung des VGH München widersprochen und wiederholt dargelegt, dass der Annahme der Ungeeignetheit in den betroffenen Fällen eine Eignungsüberprüfung durch ein medizinisch-psychologischen Gutachten vorzuschalten sei.

Nun bestätigt auch das BVerwG diese Auffassung und informiert per Pressemitteilung über seine neue Sichtweise, dass

Zitat

"die Fahrerlaubnisbehörde bei einem gelegentlichen Konsumenten von Cannabis, der erstmals unter der Wirkung von Cannabis ein Kraftfahrzeug geführt hat, in der Regel nicht ohne weitere Aufklärung von fehlender Fahreignung ausgehen und ihm unmittelbar die Fahrerlaubnis entziehen darf. In solchen Fällen haben die Fahrerlaubnisbehörden gemäß § 46 Abs. 3 i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV nach pflichtgemäßem Ermessen über die Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Klärung der durch diese Fahrt begründeten Zweifel an der Fahreignung zu entscheiden."

Damit hat das BVerwG zum einen der gängigen Verwaltungspraxis ausschließlich aufgrund der Festlegungen der Anlage 4 Nr.9.2.2 bei den Fahrerlaubnisbehörden widersprochen, die sich auch in vielen Länderregelungen findet und zum anderen zusätzliche Fragen und Probleme aufgeworfen. Damit hat sich das BVerwG zumindest im Ergebnis der wesentlichen Argumentationskette des VGH München angeschlossen.

Unter der Prämisse, dass in den betroffenen Fällen immer von einem nachgewiesenen gelegentlichem Konsum ausgegangen werden kann – ohne jetzt auf die Problematik der sogenannten substanziierten Einlassungen durch die Betroffenen hinsichtlich des Konsumverhaltens einzugehen – sind die Grundlagen des § 14 Abs. 1 S. 3 FeV:

Zitat

"Die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gut...

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