Die Bemessung des Schmerzensgeldes obliegt dem Tatrichter. Aber es ist Sache des Anwalts, vorzutragen, welche Tatsachen der Richter der Bemessung zugrunde legen soll. Versäumnisse auf diesem Gebiet gehen regelmäßig zulasten der Partei. Sie sind in der Berufung nur selten und in der Revision gar nicht mehr zu korrigieren. Zwar mag bei vielen Fällen der Griff zur Schmerzensgeldtabelle[58] angebracht sein, ist aber nicht immer ausreichend. Vielmehr sollten die besonderen Umstände des konkreten Falles – wenn es sie denn gibt – zunächst vom Verletzten und notfalls von seinen Angehörigen erfragt und sodann dem Gericht ausführlich und nachvollziehbar vorgetragen werden, um eine Entschädigung zu erreichen, die angemessen ist, nämlich dem konkreten Fall gerecht wird. Schon hier möchte ich auf diese besondere Anwaltspflicht hinweisen, die der Anwaltssenat des BGH in einem Urteil aus dem Jahr 2013[59] nachdrücklich formuliert hat. Ich komme hierauf noch zurück.

Es liegt in der Natur der Sache, dass beim immateriellen Schaden die Möglichkeit der Schadensschätzung nach § 287 ZPO besondere Bedeutung hat – aber auch hierfür braucht der Tatrichter konkrete Anhaltspunkte,[60] zumal er keinesfalls das Schmerzensgeld willkürlich bemessen darf, sondern vergleichbare Fälle in Betracht zu ziehen hat.[61] Auch wenn es grundsätzlich seine Aufgabe ist, alle für die Höhe des Schmerzensgeldes maßgeblichen Umstände zu erfassen und in die Bemessung einzubeziehen,[62] unterliegt es doch revisionsrechtlicher Nachprüfung,[63] ob er sich bei Ausübung seines Ermessens um eine angemessene Beziehung der Entschädigung zu Art und Dauer der Verletzung bemüht hat. Zwar kann die überreichliche oder allzu dürftige Bemessung im Einzelfall regelmäßig aus Rechtsgründen nicht angegriffen werden; aber der Tatrichter muss jedenfalls dann, wenn er von den üblichen Bemessungssätzen abweichen will, den besonderen Grund hierfür darlegen[64] und unter dem Grundsatz wirtschaftlicher Durchsetzbarkeit auch das Interesse der Versichertengemeinschaft im Auge behalten, so der BGH in einer Entscheidung aus dem Jahr 1985,[65] die noch immer Gültigkeit hat.

[58] Beispiele bei Palandt/Grüneberg, BGB, 77. Aufl. 2018, vor Rn 1 zu § 253.
[59] BGH NJW 2013, 2065.
[60] Vgl. Müller zfs 2009, 62, 68.
[61] BGH MDR 1976,
[64] BGH VersR 1988, 943, 944; MDR 1976, 1012.
[65] BGH VersR 1986, 59.

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