StPO § 81a Abs. 2; GG Art. 2 Abs. 2 S. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3, Art. 103 Abs. 1; EMRK Art. 6 Abs. 1 S. 1

Leitsatz

1. Nach der Rspr. des BverfG haben die Gerichte im Strafprozess die Rechtmäßigkeit der Blutentnahme nicht umfassend nachzuprüfen, sondern nur insofern, als dies für die Entscheidung über das Vorliegen eines Beweisverwertungsverbots von Bedeutung ist. Die Beurteilung der Frage, welche Folgen ein möglicher Verstoß gegen strafprozessuale Verfahrensvorschriften hat und ob hierzu ein Beweisverwertungsverbot zählt, obliegt in erster Linie den zuständigen Fachgerichten.

2. Dass die strafgerichtliche Rspr. davon ausgeht, eine fehlende Dokumentation allein führe nicht zu einem Verwertungsverbot, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, zumal diese Rspr. die Möglichkeit offen lässt, den Dokumentationsmangel entsprechend seinem Gewicht im Einzelfall als Gesichtspunkt in der vorzunehmenden Abwägung zu berücksichtigen. Ebenso wenig ist es verfassungsrechtlich bedenklich, wenn bei der Prüfung eines Beweisverwertungsverbots auf den die Anordnung der Blutentnahme vor Ort aussprechenden Polizeibeamten abgestellt wird.

3. Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist auch, dass das Fehlen eines nächtlichen richterlichen Bereitschaftsdienstes kein Beweisverwertungsverbot begründet. Die Rspr. des BVerfG zur Notwendigkeit eines richterlichen Bereitschaftsdienstes zur Nachtzeit betrifft den in Art. 13 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich verankerten Richtervorbehalt bei der Wohnungsdurchsuchung. Sie kann nicht schematisch auf den einfachrechtlichen Richtervorbehalt des § 81a StPO übertragen werden, der nicht als rechtsstaatlicher Mindeststandard geboten ist. Selbst wenn das Fehlen eines nächtlichen richterlichen Bereitschaftsdienstes der Inanspruchnahme der Eilkompetenz entgegenstünde, folgte daraus von Verfassungs wegen kein Beweisverwertungsverbot. Die Strafgerichte können darauf verweisen, dass die handelnden Polizeibeamten in einem solchen Fall den Richtervorbehalt nicht willkürlich oder zielgerichtet umgehen.

4. Schließlich führt die Nichterreichbarkeit des staatsanwaltschaftlichen Bereitschaftsdienstes nicht zu einem verfassungsrechtlich gebotenen Beweisverwertungsverbot. Nach dem Wortlaut von § 81a Abs. 2 StPO sowie der Systematik der Richtervorbehalte der Strafprozessordnung haben sowohl die Staatsanwaltschaft als auch ihre Ermittlungspersonen im Sinne von § 152 GVG die Befugnis, eine Blutentnahme anzuordnen. Das Ergebnis einer polizeilich angeordneten Blutentnahme ist daher von Verfassungs wegen unabhängig von der Antwort auf die einfachrechtliche Frage verwertbar, ob und bejahendenfalls unter welchen Voraussetzungen die Eilkompetenz nach § 81a StPO vorrangig durch die Staatsanwaltschaft wahrzunehmen ist.

5. Die Verfassungsbeschwerden sind auch nicht im Hinblick auf die Rüge anzunehmen, die Ablehnung eines Beweisverwertungsverbots verstoße gegen das Recht auf ein faires und rechtsstaatliches Verfahren.

(Leitsätze der Schriftleitung)

BVerfG – 1. Kammer des Zweiten Senats, Beschl. v. 24.2.2011 – 2 BvR 1596/10 und 2 BvR 2346/10

Sachverhalt

Das BVerfG nimmt in einem zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Verfahren zwei Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung an.

2 Aus den Gründen:

„ … . [1] I. Die Verfassungsbeschwerden betreffen die Frage, ob ein Verstoß gegen den Richtervorbehalt des § 81a Abs. 2 StPO bei Anordnung einer Blutentnahme zum Nachweis einer Trunkenheitsfahrt ein Beweisverwertungsverbot nach sich zieht.

[2] 1. Das AG verurteilte den Beschwerdeführer zu 1) wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe. Die Berufung des Beschwerdeführers wurde vom LG als unbegründet verworfen. Das LG sah es als erwiesen an, dass der Beschwerdeführer in alkoholbedingt fahruntüchtigem Zustand, den er habe erkennen können und müssen, an einem Sonntag gegen 16.00 Uhr mit einem Fahrrad im öffentlichen Straßenverkehr gefahren sei. Dabei habe er – ohne den Verkehr zu beachten – die Fahrbahn überquert, um auf den gegenüberliegenden Radweg zu gelangen. Ein entgegenkommender Funkstreifenwagen der Polizei habe deshalb bis zum Stillstand des Fahrzeugs abbremsen müssen, um nicht mit dem Fahrrad des Beschwerdeführers zu kollidieren. Da der Beschwerdeführer einer Blutentnahme widersprochen habe, habe einer der Polizeibeamten des Funkstreifenwagens beim Diensthabenden auf der Wache angerufen, damit dieser einen richterlichen Beschl. erwirke. Der Diensthabende habe den Richter telefonisch nicht erreichen können und dies dem Polizeibeamten vor Ort mitgeteilt. Dieser habe deshalb Gefahr im Verzug angenommen, die Entnahme einer Blutprobe angeordnet und den Diensthabenden auf der Wache hierüber informiert. Sein Vorgehen habe er nicht in der Akte dokumentiert, weil es beim Polizeirevier W üblich sei, dass das der Diensthabende auf der Wache vornehme.

[3] Das Ergebnis der um 16.30 Uhr entnommenen Blutprobe – die eine Blutalkoholkonzentration von 2,07 Promille im Analysenmittelwert ergeben habe – sei verwertbar. Die Voraussetzungen einer Eilan...

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