I. Einleitung

In der weit überwiegenden Zahl der Fälle, in denen der Mandant rechtsschutzversichert ist, wickelt der beauftragte Rechtsanwalt diese Angelegenheit mit dem Rechtsschutzversicherer ab, insbesondere durch die Einholung von Kostendeckungszusagen, Unterrichtung über den Mandatsverlauf, Abstimmung über kostenauslösende Maßnahmen, Anforderung von Kostenvorschüssen und Erstellen der Endabrechnung. In der Praxis bleibt dabei oftmals unklar, in welchem rechtlichen Rahmen der Anwalt tätig wird und wie sich die rechtlichen Beziehungen zwischen ihm und dem Rechtsschutzversicherer darstellen. Agiert der Anwalt auf freiwilliger Basis, oder hat der Rechtsschutzversicherer ihm gegenüber Auskunfts- und Abrechnungsansprüche? Der folgende Beitrag untersucht die Frage, ob, und unter welchen Voraussetzungen derartige Ansprüche des Rechtsschutzversicherers unmittelbar gegenüber dem Anwalt bestehen und strukturiert die vorkommenden Fallgestaltungen rechtlich.

II. Ausgangslage

Beim rechtsschutzversicherten Mandanten bestehen zwischen seinem Anwalt und seinem Rechtsschutzversicherer grundsätzlich keinerlei Rechtsbeziehungen. Der Anwalt ist vertraglich ausschließlich gegenüber seinem Mandanten im Rahmen eines Dienstvertrages, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat, zur Dienstleistung verpflichtet und nicht dem Rechtsschutzversicherer.[1] Der Anwalt wiederum hat einen Vergütungsanspruch nur gegen den Mandanten und Versicherungsnehmer, nicht aber gegen den Rechtsschutzversicherer.[2] Der Rechtsschutzversicherer übernimmt die Freistellung des Versicherungsnehmers von dessen Kostenschuld nicht durch einen Vertrag zugunsten des Kostengläubigers als Dritten i.S.d. § 328 BGB, sondern im Wege der Erfüllungsübernahme nach § 329 BGB ohne eigenes Forderungsrecht des Kostengläubigers.[3] Gem. § 16 II ARB 75 erfolgt die Beauftragung eines Anwalts durch den Rechtsschutzversicherer namens und im Auftrag des Versicherungsnehmers. Anwalt und Rechtsschutzversicherer werden nicht Vertragsparteien.[4] Hieraus folgt, dass auf Grund fehlender vertraglicher Beziehung zwischen Anwalt und Rechtsschutzversicherer dieser grundsätzlich auch keinen Anspruch auf Auskunft über den Mandatsablauf und auf Abrechnung hat, sondern diesbezüglich nur Ansprüche des Mandanten als Versicherungsnehmer bestehen.[5]

[1] Chab, AnwBl. 2003, 652.
[2] LG Hamburg, AnwBl. 1979, 66; AG Frankfurt, AnwBl. 1982, 220; LAG Hamm, zfs 1991, 307; Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, § 16 ARB 75 Rn 2; Harbauer, Rechtsschutzversicherung ARB Kommentar, 7. Aufl. 2004, § 16 ARB 75 Rn 5.
[3] LAG Hamm, zfs 1991, 307; Harbauer, (o. Fußn. 3), § 16 ARB 75 Rn 5.
[4] Harbauer, (o. Fußn. 3), § 16 ARB 75 Rn 7 ff.; Chab, AnwBl. 2003, 652, 654; Hering, zfs 1989, 217; Brieske, zfs 1990, 73.
[5] Harbauer, (o. Fußn. 3), § 16 ARB 75 Rn 5-7; Bergmann, VersR 1981, 512 ff.

III. Vorbehalt der Rückforderung

Teilweise werden unmittelbare Rechtsbeziehungen zwischen dem Rechtsschutzversicherer und dem Anwalt dann angenommen, wenn die Versicherung einen angeforderten Kostenvorschuss gem. § 9 RVG unmittelbar an den Anwalt als künftigen Kostengläubiger des Mandanten zahlt und sich dabei die Rückforderung vorbehält, wenn und soweit ein Dritter die Anwaltskosten zu erstatten hat. Nähme der Rechtsanwalt diese Vorschusszahlung widerspruchslos entgegen, dann habe er sie unmittelbar an den Rechtsschutzversicherer zurückzuzahlen, soweit dieser gegenüber dem Mandanten wegen der Erstattungspflicht eines Dritten letztlich nicht zur Übernahme der Kosten verpflichtet sei. In diesem Falle sei der Rechtsanwalt der Versicherung gegenüber auskunftspflichtig.[1] Als Anspruchsgrundlage wird in diesem Fall eine Vereinbarung anscheinend in der Form eines Vertrages sui generis gem. §§ 241, 311 I BGB angesehen, die zwischen Rechtsschutzversicherer und Anwalt zustande gekommen sei durch die widerspruchslose Hinnahme des Rückforderungsvorbehalts.[2]

Eine solche Argumentation vermag dogmatisch nicht zu überzeugen. Für eine Vereinbarung wäre erforderlich ein Antrag auf Abschluss eines entsprechenden Vertrags. Dem Vorbehalt der Rückforderung kommt in keinem Fall ein diesbezüglicher Erklärungswert zu. Der Rechtsschutzversicherer kann auch nicht durch einseitige Erklärungen Vertragsbeziehungen begründen. Die widerspruchslose Hinnahme des Rückforderungsvorbehalts durch den Anwalt bedeutet letztlich nichts anderes, als dessen Schweigen. Bloßes Schweigen ist aber grundsätzlich keine Annahme eines Antrags.[3] Hieraus könnte man nur dann einen konkludenten Vertragsabschluss herleiten, wenn weitere Umstände tatsächlicher Art vorliegen, die auf einen entsprechenden Rechtsbindungswillen des Anwalts hindeuten. Letztlich ist es für den Rechtsschutzversicherer nicht möglich, durch einseitige Rückforderungsvorbehalte im Einzelfall Vereinbarungen herbeizuführen, die für ihn Auskunfts- und Abrechnungsansprüche gegenüber dem Anwalt begründen.

[1] So insgesamt die Argumentation bei Feuerich/Weyland, BRAO, 7. Aufl. 2008, § 44 Rn 29; Harbauer, (o. Fußn. 3), § 16 ARB 75 Rn 7, § 20 ARB 75 Rn 25.
[2] In diesem Sinne BGH, ...

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