Der Kl. macht gegen die Bekl. zu 1) als Verkäuferin und gegen die Bekl. zu 2) als Herstellerin Ansprüche wegen behaupteter unzulässiger Abschalteinrichtungen in seinem Kfz Mercedes Benz E 350 CDI BE Coupé Baujahr 2010, Erstzulassung 19.8.2010 geltend. Der Kl. bestellte bei dem Bekl. zu 1), einer autorisierten Händlerin der Herstellerin, das Gebrauchtfahrzeug mit einer Laufleistung von 60.936 km zu einem Kaufpreis von 21.889 EUR, das am 11.7.2017 ausgeliefert wurde.

In dem Fahrzeug war ein Dieselmotor des Typs OM 642 Euro 5 verbaut. Zur Reduzierung der Stickstoffemissionen war ein sog. Abgasrückführungssystem (AGR-System) eingesetzt worden. Es führt einen Teil des Abgases in das Ansaugsystem des Motors zurück, dieses nimmt erneut an der Verbrennung teil. Die Steuerung der Abgasrückführung erfolgt unter anderem temperaturabhängig, sog. Thermofenster. Sie wurde ergänzt durch die sog. Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung, durch den Einbau eines Rohrs, durch das das Abgas in die Brennkammer des Motors zurückgeführt wurde, wodurch die Kühlflüssigkeit gekühlt wurde, um die Verbrennungstemperatur in der Brennkammer zu reduzieren und eine Reduktion der Stickoxide zu erreichen.

Ein sog. SCR-System (selective catalytic reduction), bei dem Stickstoffemissionen dadurch reduziert werden, dass dem Abgas eine wässrige Harnstofflösung (Ad Blue) beigemischt wird und durch die sodann ausgelöste thermische Reaktion die Stickoxide im Wesentlichen zu Stickstoff und Wasser abgebaut werden, ist in das Fahrzeug des Kl. nicht eingebaut.

Das Kraftfahrt-Bundesamt (im Folgenden: KBA) hat verschiedene von der Zweitbeklagten hergestellte Fahrzeuge wegen vermeintlich unzulässiger Abschalteinrichtungen zurückgerufen. Betroffen sind allerdings nur bestimmte Baureihen der Fahrzeuge der Zweitbeklagten, u.a. mit Motoren des Typs OM 651 der Schadstoffklasse Euro 5, nicht hingegen alle mit diesen Motortypen ausgerüsteten Fahrzeuge. Die Zweitbeklagte hat die entsprechenden Bescheide des KBA angefochten. Das streitgegenständliche Fahrzeug ist von einem Rückruf nicht betroffen. Die Zweitbeklagte bietet lediglich im Rahmen einer sog. "freiwilligen Kundendienstmaßnahme" ein Software-Update für das Fahrzeug an.

Mit Schreiben v. 19.6.2019 erklärten die Prozessbevollmächtigten des Kl. gegenüber der Erstbeklagten die Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung und hilfsweise den Rücktritt vom Kaufvertrag. Zur Begründung führten sie aus, in dem Fahrzeug sei eine Manipulationssoftware eingebaut, die dazu führe, dass die zulässigen Grenzwerte erheblich überschritten würden. Hierüber sei der Kl. arglistig getäuscht worden, was der Erstbeklagten zuzurechnen sei. Auf eine Nacherfüllung müsse sich der Kl. nicht einlassen. Mit weiterem Schreiben vom selben Tage an die Zweitbeklagte machten die Prozessbevollmächtigten des Kl. deliktische Schadensersatzansprüche aus den gleichen Gründen geltend.

Der Kl. nimmt die Verkäuferin auf die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückübereignung und Herausgabe des Kfz und Zug um Zug gegen Zahlung einer von der Bekl. zu 1) noch zu zahlenden Nutzungsentschädigung in Anspruch. Weiterhin verfolgt der Kl. die Verurteilung der Bekl. zu 2) zum Schadensersatz in Höhe des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Kfz. Zur Begründung führt der Kl. aus, dass das hergestellte und verkaufte Kfz eine unzulässige Abschalteinrichtung enthalte, sodass deshalb gegen beide Bekl. Ansprüche wegen arglistiger Täuschung bestünden. Das gelte sowohl im Hinblick auf das eingebaute Thermofenster wie auch die Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung.

Darüber hinaus seien unzulässige Veränderungen beim Schaltzeitpunkt des Getriebes und bei der AdBlue-Einspritzung vorgenommen worden. Auch das im Fahrzeug eingesetzte On-Board-Diagnose (OBO-System) erkenne entgegen seiner eigentlichen Bestimmung diese Manipulation nicht, da es selbst entsprechend programmiert worden sei. Die Bekl. zu 2) habe trotz positiver Kenntnis über die Funktionsweise dieser Abschalteinrichtung deren Einbau in das Fahrzeug gebilligt.

Der Kl. hätte das Fahrzeug nicht erworben, wenn er von diesen Umständen Kenntnis gehabt hätte. Die Teilnahme an der Rückrufaktion sei dem Kl. nicht zumutbar. Weiterhin fielen bei dem Fahrzeug die Kraftstoff-Verbrauchswerte und der CO-Ausstoß weitaus höher als angegeben aus.

Die Bekl. haben die Einrede der Verjährung erhoben. Sie sind der Auffassung, das Abgasverhalten des Fahrzeugs entspreche sowohl den gesetzlichen Vorgaben wie den Bestimmungen zur Zuteilung der EG-Typengenehmigung. Kenntnis von den vom Kl. behaupteten Abschaltvorrichtungen hätten sie nicht gehabt. Vor der in Anspruch genommenen freiwilligen Service-Maßnahme habe das KBA keine Auffälligkeiten entdeckt. Das Fahrzeug habe keinen Mangel aufgewiesen; jedenfalls fehle eine für Gewährleistung erforderliche Nachfristsetzung.

Das LG verneinte eine Haftung der Erstbeklagten und – vor Erlass des Urteils des EuGH v. 17.12.2020 (in diesem Heft) – eine Haftung der Bekl. ...

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