"… II. Die statthafte (§ 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 OWiG) und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde erweist sich bereits mit der Verfahrensrüge der unbegründeten Bescheidung des unbedingten Beweisantrages als – vorläufig – erfolgreich. Da das angefochtene Urteil schon aufgrund der begründeten Verfahrensrüge in vollem Umfang aufzuheben ist, bedarf es keines Eingehens auf die erhobene Sachrüge."

1. Der Verfahrensrüge liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:

Der Verteidiger beantragte in der Hauptverhandlung v. 17.7.2020 nach Angaben des Verteidigers zur Fahrereigenschaft sowie Vernehmung des Messbeamten als Zeugen die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, dass die vorliegende Messung nicht den Vorgaben der Bedienungsanleitung des verwendeten Messgeräts ESO 3.0 genügt und daher nicht verwertbar ist. Das Fahrzeug des Betr. habe sich fast die ganze Fahrzeuglänge vor der Fotolinie befunden, hätte sich aber nach der Bedienungsanleitung auf Höhe der markierten Fotolinie befinden müssen. Das AG lehnte diesen Beweisantrag ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls v. 17.7.2020 per Beschluss mit dem Wortlaut “Der Antrag wird zurückgewiesen.' ab. In den Urteilsgründen wird ausgeführt, dass der Beweisantrag aufgrund der Aussage des Messbeamten gem. § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG zurückgewiesen werden konnte. Den Beweisantrag hatte der Verteidiger dem AG zusätzlich bereits einen Tag vor der Hauptverhandlung schriftsätzlich übermittelt.

2. Die zulässig erhobene Verfahrensrüge der fehlerhaften Ablehnung des Beweisantrags erweist sich als begründet, weil die gerichtliche Ablehnungsentscheidung rechtlicher Überprüfung nicht standhält. Die Ablehnung unbedingter Beweisanträge darf nicht den Urteilsgründen überlassen werden. Die Ablehnung eines Beweisantrags hat gem. § 71 Abs. 1 OWiG, § 244 Abs. 6 StPO durch einen noch vor Schluss der Beweisaufnahme mit Gründen zu versehenen und mit diesen gem. § 273 Abs. 1 StPO zu protokollierenden Gerichtsbeschluss zu erfolgen (BGHSt 40, 287, 288; OLG Köln, Beschl. v. 30.1.1970 – 1 Ws [OWi] 9/70 = BeckRs 9998, 109184; Meyer-Goßner/Schmitt StPO 63. Aufl. § 244 Rn 82 m.w.N.; Göhler/Seitz/Bauer OWiG 17. Aufl. § 77 Rn 23). Die Begründung soll den ASt. davon in Kenntnis setzen, wie das Gericht seinen Antrag beurteilt. Er soll dadurch in die Lage versetzt werden, sein weiteres Verteidigungs- bzw. Prozessverhalten auf die neue Verfahrenssituation rechtzeitig einzustellen (vgl. OLG Bamberg, Beschl. v. 4.12.2006 – 3 Ss OWi 1614/06 [unveröffentlicht]). Hier liegt überhaupt keine Begründung der Ablehnung vor, es wurde lediglich der Antrag “zurückgewiesen'. Die willkürliche Ablehnung eines Beweisantrags, also die Ablehnung eines Beweisantrags ohne nachvollziehbare, auf das Gesetz zurückzuführende Begründung, die unter Berücksichtigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist, verletzt aber das rechtliche Gehör (BVerfG NJW 1992, 2811). Daran ändert auch die nachträgliche Begründung der Ablehnung des Beweisantrags im Urteil nichts. Denn daraus kann nicht geschlossen werden, aus welchen Gründen der Beweisantrag in der Hauptverhandlung abgelehnt worden ist.

3. Es lässt sich auch nicht ausschließen, dass das Urteil auf diesem Verfahrensfehler beruht (§ 337 Abs. 1 StPO).

a) Ein Beruhen des Urteils auf dem Verfahrensfehler kann dann ausgeschlossen sein, wenn der ASt. aufgrund einer offensichtlichen Sach- oder Verfahrenslage über die Gründe der Ablehnung seines Beweisantrages nicht im Unklaren sein konnte (vgl. KK/Krehl StPO 8. Aufl. § 244 Rn 234). Hier kannte der Betr. die Gründe der gerichtlichen Ablehnung nicht mit Sicherheit. Damit besteht die Möglichkeit, dass der ASt. durch die Unterlassung der Begründung der Ablehnung des Beweisantrags in seiner Prozessführung beeinträchtigt worden ist.

b) Das Urteil beruht auf dem Verfahrensverstoß nur dann nicht, wenn nach Sachlage sicher auszuschließen wäre, dass der ASt. aus dem gebotenen Ablehnungsbeschluss keine wesentlichen, sein weiteres Erklärungs- und Antragsverhalten oder gar das Ergebnis des Verfahrens beeinflussende Informationen oder Sachverhaltsannahmen erlangt hätte (OLG Bamberg, Beschl. v. 7.8.2007 – 3 Ss OWi 1028/07 [unveröffentlicht]). Vorliegend lässt sich aber – unter Berücksichtigung des Rechtsbeschwerdevorbringens – gerade nicht mit der erforderlichen Gewissheit ausschließen, dass der Betr. im Falle der gesetzmäßigen Ablehnung des Beweisantrages durch einen Gerichtsbeschluss noch einen abgewandelten Beweisantrag gestellt hätte, dem das Gericht dann zugunsten des Betr. im Rahmen seiner Aufklärungspflicht hätte nachgehen müssen. Die von der GenStA angestellte Überlegung, der bereits vorab bekannte Beweisantrag sei bereits bei der Vernehmung des Zeugen vollständig und erschöpfend erörtert worden, ist zwar naheliegend, steht aber nicht sicher fest.

III. Der aufgezeigte Begründungsmangel führt daher zur Aufhebung des Urteils mit den zugehörigen Feststellungen (§ 353 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG). Die Sac...

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