Hinweis

"Durch das Geradeausfahren entgegen seinem gesetzten rechten Fahrtrichtungsanzeiger trifft den Bekl. eine Mithaftung, die mit 1/3 anzusetzen ist."

Wenn der Vorfahrtsberechtigte bei der Annäherung an eine Kreuzung durch ein Blinkzeichen den Eindruck erweckt, er werde abbiegen, und dieser Eindruck durch das Fahrverhalten (z.B. mäßige Geschwindigkeit) unterstützt wird, ist eine erhebliche Mithaftung anzunehmen, die i.d.R. zwischen 25 % und 50 % liegt und sich durch die Eindeutigkeit des Fahrverhaltens sogar bis zur Alleinhaftung erhöhen kann (OLG Hamm, Urt. v. 29.9.2003 – 6 U 95/03 = r+s 2004, 168; OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.11.2000 – 10 U 155/00 = DAR 2001, 128; OLG München, Urt. v. 6.3.2009 – 10 U 4439/08 = NZV 2009, 457; LG Bonn, Urt. v. 14.5.2002 – 8 S 241/01 = DAR 2002, 455). Durch Setzen des rechten Fahrtrichtungsanzeigers wird dem übrigen Verkehr signalisiert, dass ein Fahrzeug sich bei der nächsten Gelegenheit nach rechts bewegen wird. Der übrige Verkehr darf generell darauf vertrauen, dass ein Fahrer sich entsprechend der gesetzten Richtungszeichen verhält (BGH VM 74, 89; OLG Hamm VRS 61, 52). Wer sich entgegen dem gesetzten Richtungszeichen verhält, haftet gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern. Bei besonderen Umständen haftet der falsch Blinkende erhöht (KG Berlin NZV 1990, 155; OLG Düsseldorf DAR 1977, 161; Jagow/Burmann/Heß, StraßenverkehrsR, § 8 Rn 63 m.w.N.). Eine Haftungsverteilung zu Lasten des wartepflichtigen Fahrers von 1/3 zu 2/3 ist gerechtfertigt, wenn der vorfahrtsberechtigte Fahrer vor dem Zusammenstoß zwar geblinkt, sich darüber hinaus aber nicht tatsächlich wahrnehmbar auf das Abbiegen vorbereitet hat (OLG Dresden, Beschl. v. 10.2.2020 – 4 U 1354/19).

Der Bekl. haftet vorliegend jedenfalls zu 1/3, weil er durch das “falsche Blinken' irreführend auf die Kreuzung zugefahren ist. Das damit verbundene Risiko, dass der Kl. davon ausging, der Bekl. werde abbiegen, hat sich auch verwirklicht.“

 

Erläuterung:

Zwar entfällt bei einem Unfall im Kreuzungsbereich mit Wartepflicht nicht der gegebene Vorfahrtsverstoß des Wartepflichtigen, jedoch führt das Setzen eines Blinkers, ohne abbiegen zu wollen, zu einer Mithaftung des Vorfahrtsberechtigten. Der Wartepflichtige kann in jedem Fall auf ein Abbiegen des Vorfahrtsberechtigten vertrauen, wenn über ein bloßes Betätigen des Blinkers hinaus die Gesamtumstände z.B. durch Verringern der Geschwindigkeit hinzukommen. Hierbei wird eine Vertrauensgrundlage geschaffen, die es rechtfertigt, davon auszugehen, das Vorfahrtsrecht werde nicht mehr ausgeübt. Entscheidend ist, dass das Fahrverhalten des Fahrers in nachvollziehbarer Weise Auswirkungen auf das Verhalten des Geschädigten gehabt hat. Nach aktueller obergerichtlicher Rechtsprechung (so OLG Dresden, Beschl. v. 10.2.2020 – 4 U 1354/19; OLG München, Urt. v. 15.9.2017 – 10 U 4380/16) ist auch bei dem bloßen Betätigen des Blinkers ohne weitere Anzeichen für ein Abbiegen eine erhöhte Mithaftung begründet, da in dieser Situation alleine durch irreführendes Blinken eine erhöhte Gefahr geschaffen wird.

Autor: Verena Bouwmann

RAin Verena Bouwmann, FAin für Verkehrsrecht, München

zfs 4/2020, S. 183

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