I. Mit seiner Beschwerde wendet sich der Antragsteller dagegen, dass es die Vorinstanz mit dem angegriffenen Beschluss abgelehnt hat, die aufschiebende Wirkung seiner Anfechtungsklage vom 11.11.2019 anzuordnen, die sich gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 8.11.2019 richtet. Durch diesen Bescheid entzog der Antragsgegner dem Antragsteller die Fahrerlaubnis (alte Klassen 3, 4 und 5), da er davon ausging, dass sich dieser bei einem Stand von acht Punkten nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem als ungeeignet zum Führen von Kfz erwiesen habe (§ 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 StVG).

Zur Begründung ihrer Entscheidung hat die Vorinstanz [VG Lüneburg, Beschl. v. 23.12.2019 – 1 B 39/19] im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Entziehung der Fahrerlaubnis des Antragstellers überwiege dessen Interesse, hiervon verschont zu bleiben, weil der angefochtene Bescheid rechtmäßig ergangen sei. Der Antragsgegner habe dem Antragsteller zu Recht die Fahrerlaubnis nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 StVG entzogen. Er stütze seine Entscheidung zutreffend auf die im angefochtenen Bescheid benannten, rechtskräftig geahndeten Verkehrsordnungswidrigkeiten und habe das Gebot des stufenweisen Vorgehens (§ 4 Abs. 5 S. 1 i.V.m. § 4 Abs. 6 S. 1 StVG) beachtet. Er habe den Antragsteller nämlich mit Schreiben vom 8.6.2017 bei einem Stand von vier Punkten ermahnt und ihn nachfolgend nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 StVG verwarnt. Letzteres sei mit dem Verweis darauf geschehen, dass nach einer Mitteilung vom 11.9.2019 des Kraftfahrt-Bundesamtes im Fahreignungsregister rechtskräftige Verkehrsverstöße eingetragen seien, die nach dem bundeseinheitlichen Punktesystem insgesamt mit sechs Punkten zu bewerten seien.

(1) Nicht durchgreifend sei der Einwand des Antragstellers, ihm sei eine Punkteverringerung nach § 4 Abs. 6 S. 3 StVG zu gewähren, weil er bereits vor der Verwarnung den Antragsgegner durch das Schreiben seines Bevollmächtigten vom 22.8.2019 davon in Kenntnis gesetzt habe, dass gegen ihn drei weitere Entscheidungen über Verkehrsordnungswidrigkeiten vorlägen, die rechtskräftig gewesen seien und zu einem Punktestand im Fahreignungsregister von neun Punkten geführt hätten.

(a) Denn maßgebend für die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme nach § 4 Abs. 5 S. 1 StVG und eine Verringerung des Punktestandes nach § 4 Abs. 6 S. 2 und 3 StVG seien [nur] die im Fahrerlaubnisregister eingetragenen und der Fahrerlaubnisbehörde im Zeitpunkt des Ergreifens der Maßnahme nach § 4 Abs. 8 StVG [bereits] übermittelten Zuwiderhandlungen. Die Mittlungen des Kraftfahrt-Bundesamtes dienten gem. § 4 Abs. 8 S. 1 StVG zur Vorbereitung der Maßnahmen gem. § 4 Abs. 5 StVG und seien daher auch Voraussetzung dafür, dass die vom Gesetz vorgesehenen Maßnahmen ergriffen werden könnten. Im Fahreignungs-Bewertungssystem entscheide die Fahrerlaubnisbehörde mithin auf der Grundlage der ihr gem. § 4 Abs. 8 StVG vom Kraftfahrt-Bundesamt übermittelten Eintragungen im Fahreignungsregister. Angesichts eines bestehenden und, soweit ersichtlich, funktionierenden Systems der Informationsübermittlung zum Fahreignungs-Bewertungssystem spreche weit Überwiegendes gegen die rechtlich bindende Berücksichtigung sonstiger Informationsquellen.

(b) Der Wortlaut des § 4 Abs. 6 S. 4 StVG stehe dem vorstehenden Verständnis, wonach die Fahrerlaubnisbehörde die erforderliche Kenntnis nur durch Mitteilungen des Kraftfahrt-Bundesamtes erlangen könne, nicht entgegen. Nach der Vorschrift sei zwar auf die "Kenntnis" der Fahrerlaubnisbehörde über "Punkte für Zuwiderhandlungen" abzustellen. Damit sei aber nicht ausdrücklich festgelegt, aus welcher Quelle die Behörde die erforderlichen Kenntnisse erhalten müsse.

(c) Dafür, dass der Gesetzgeber dem Betr. die Möglichkeit habe einräumen wollen, die Kenntnisverschaffung der Fahrerlaubnisbehörde an dem Kraftfahrt-Bundesamt vorbei und außerhalb des in § 4 Abs. 8 StVG geregelten Verfahrens selbst in die Hand zu nehmen, sei nichts ersichtlich. Nur auf dem vom Gesetz vorgegebenen Weg sei es nämlich möglich, ein manipulatives Vorgehen des Betr. auszuschließen, der es sonst in der Hand hätte, durch eine gezielte Kenntnisverschaffung die für ihn günstigen Rechtsfolgen des § 4 Abs. 6 S. 1 StVG auszulösen. Eine solche Steuerung des Punktestandes stünde jedoch im Widerspruch zum Gesetzeszweck, die Gefahren im Straßenverkehr zu minimieren, die insb. von Intensivtätern ausgingen. Denn sie böte die Möglichkeit, innerhalb bestimmter Zeiträume weitere Verkehrsübertretungen ohne das (zusätzliche) Risiko einer Fahrerlaubnisentziehung nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 StVG zu begehen.

(d) Auf die Unkenntnis einer rechtskräftig geahndeten Zuwiderhandlung könne sich die Fahrerlaubnisbehörde nur dann nicht berufen, wenn dieser Umstand als rechtsmissbräuchlich anzusehen wäre, etwa weil die Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamtes oder die Eintragung im Fahreignungsregister willkürlich verzögert worden sei. Für ein solches missbräuchliches Handeln fehlten aber Anhaltspunkte...

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