Sehr geehrte Kolleginnen,

sehr geehrte Kollegen,

das Unvorstellbare ist eingetreten, der Ausnahmezustand wurde ausgerufen. Die Folgen der Corona-Pandemie durchdringen alle Bereiche des Lebens, unzählige Geschäftszweige mit öffentlichem Publikumsverkehr werden stillgelegt, das Leben ist nahezu lahmgelegt. Ausgangssperren werden verhängt, Zuwiderhandlungen mit Bußgeldern oder ggf. auch Geld- und Freiheitsstrafen geahndet. Die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie sind nicht absehbar, wo vorher die "schwarze Null" als Argument herhalten musste, wird nun mit milliardenschweren, hoffentlich auch geeigneten gesetzgeberischen Sofortmaßnahmen reagiert.

Aber gerade in solch krisengeschüttelten Zeiten ist es für eine Gesellschaft stets wichtig, dass es gerade in beratenden Berufen Menschen gibt, die mit kühlem Kopf Ratsuchenden zur Seite stehen. Auch wenn uns selbst Existenzsorgen plagen, da die Einschränkung des öffentlichen Lebens schon jetzt spürbar zu vermindertem Aufkommen von Neumandaten führt.

Zum Rechtsanwaltsberuf gehört der Mandantenkontakt, nach den allgemeinen Regelungen in den Ländern und Kommunen ist die berufliche Tätigkeit – derzeit – grds. nicht eingeschränkt, ein allgemeines Empfangsverbot von Mandanten in den eigenen Kanzleiräumen besteht nicht, ist aber auch nicht zu empfehlen. Es entsteht auch hier im großen Umfang Unsicherheit, da nach § 53 Abs. 1 BRAO dem Rechtsanwalt ein Vertretungszwang auferlegt ist, beim Umzug ins "Home-Office" aber auch die Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht nach § 43a Abs. 2 BRAO und die Zustellungsmöglichkeit nach § 14 BORA sichergestellt werden müssen.

Bestehende Mandate verzögern sich drastisch, da bei Behörden, Versicherungen oder Kolleginnen und Kollegen die Tätigkeit eingeschränkt oder gar eingestellt wurde; es ist auch zu erwarten, dass teilweise von den Gerichten – verständlicherweise – Verfahren alternativ dergestalt beendet werden, dass möglicherweise auch abrechenbare Verfahrensschritte ersatzlos entfallen. Zur Sicherung der Liquidität werden viele Kanzleien dazu übergehen müssen, Vorschüsse nach § 47 RVG gegenüber der Staatskasse oder den Rechtsschutzversicherern abzurechnen.

Wünschenswert wäre jedoch auch, dass in diesem großen Chaos, in welchem niemand so richtig voraussehen kann, wohin die Reise führt, zumindest das Miteinander von Anwaltschaft und Gerichten problemlos verläuft. Richter arbeiten derzeit vornehmlich im Home-Office, ebenso wie viele Rechtsanwälte. Das muss uns bewusst sein. Der Austausch zu den Geschäftsstellen ist manchmal schwierig. So ist die Aufhebung sämtlicher Gerichtstermine bis Ende April von Amts wegen erfolgt, die Neufestsetzung dieser Termine erfolgte in unserem Büro vornehmlich auf die ersten zwei Wochen im Mai, was zu einem erhöhten organisatorischen Aufwand führt.

Wünschenswert wäre auch, dass Terminsverlegungsanträge einheitlich gehandhabt werden. Angesichts der derzeit in Freiburg ausgesprochenen Ausgangssperre und der Empfehlungen der Bundesregierung und der Justizminister sah es beispielsweise ein Einzelrichter des AG Titisee-Neustadt nicht für erforderlich an, auf dreimaligen Terminsverlegungsantrag einen Fortsetzungstermin in Bußgeldsachen zu verlegen. Eine Einspruchsverwerfung durch Urteil erfolgte wegen unentschuldigter Abwesenheit, weil das Gericht selbst der Auffassung war, durch besondere Verhaltensempfehlungen den Ausschluss des Infektionsrisikos steuern zu können. Im Rahmen der Abwägung erachtete das Gericht – es ging lediglich um ein Fahrverbot – den Präventionsgedanken für gewichtiger als ein mögliches Infektionsrisiko.

Werte Kolleginnen und Kollegen, nehmen Sie das Heft in die eigene Hand und reagieren Sie schnell und zielgerichtet, denn eine Schlussfolgerung lässt sich aus der derzeitigen Krise durchaus bereits jetzt ziehen: Wer untätig zusieht und Zeit verliert, für den werden vielleicht die Konsequenzen unbeherrschbar. Seien Sie respektvoll, achtsam und sensibilisiert, vor allem bleiben Sie gesund.

Autor: Claudio La Malfa

RA Claudio La Malfa, FA für Verkehrsrecht und für Versicherungsrecht, Emmendingen

zfs 4/2020, S. 181

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